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74 - Mein Leben und Streben

74 - Mein Leben und Streben

Titel: 74 - Mein Leben und Streben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Angriffe gegen mich nicht auf. Ich erwähne da nur den Aufsatz in der österreichischen Lehrerzeitung, durch den er ca. 40.000 Lehrer auf mich hetzte. Ich schwieg. Ich schwieg selbst dann, als er in der Wilhelm Bruhnschen ‚Wahrheit‘ in Berlin einen geradezu empörenden Angriff gegen mich brachte, in dem er mich als ‚atavistischen Verbrecher‘ brandmarkte, der wegen ‚fortgesetzter Einbruchdiebstähle‘ fast ein Jahrzehnt im Gefängnis und Zuchthaus gesessen habe! Er behauptete da, daß ich eine schwere, chronische Krankheit durchgemacht habe, die ‚offenbar kulturhemmend‘ gewirkt habe. Hiermit hatte er begonnen, sein in Dresden unterbrochenes Werk in Berlin gegen mich fortzusetzen. Leider war ich gezwungen, ihn dort persönlich aufzusuchen, weil ich in dem großen Münchmeyer-Prozeß eine Frage an ihn zu richten hatte, die nicht zu umgehen war. Ich fuhr zu diesem Zweck mit meiner Frau nach Berlin. Wir entdeckten seine Wohnung. Wir hörten, daß er ein neues Blatt herausgab, der ‚Bund‘ genannt. Wir telefonierten ihm. Er bestellte uns nach Café Bauer. Wir folgten dieser seiner Weisung. Er kam mit seiner Frau und deren Schwester. Er beantwortete meine Frage nicht. Er leugnete alles. Ich sagte ihm, daß ich sein neues Blatt sehen möchte. Das war ganz ehrlich und gut gemeint, ohne alle böse Absicht. Er aber begehrte sofort zornig auf und fragte drohend: „Haben Sie etwas vor? Dann gehe ich auf der Stelle von neuem gegen Sie los! Hier in Berlin gibt es über zwanzig Blätter wie die ‚Dresdener Rundschau‘. Die stehen mir alle zu Gebote, wenn ich Sie totmachen will! Hier dauert das gar nicht lang!“
    Ich antwortete, daß es mir gar nicht einfalle, wieder in den alten Sumpf zu steigen. Meine Frau sagte zu seiner Frau in ruhiger, freundlicher Weise, daß es die schönste Aufgabe verheirateter Frauen sei, versöhnend zu wirken und die Härten des Lebens zu mildern; dann entfernten wir uns.
    Das war am 2. oder 3. September. Einen Monat später, am 1. Oktober, kam folgender Brief aus Berlin; ich war verreist:
    Geehrter Herr!
    Obwohl völlig unbekannt, erlaube ich mir, bei Ihnen einmal anzufragen, ob Sie mir nähere Mitteilungen über einen Herrn Lebius, seinerzeit in Dresden, machen könnten. Genannter Herr, ehemaliger Sozialdemokrat, hat gegen mich als den seinerzeit verantwortlich zeichnenden Redakteur des ‚Vorwärts‘ die Privatbeleidigungsklage angestrengt. Es wird vor Gericht meine Aufgabe sein müssen, Herr Lebius als ‚Ehrenmann‘ zu kennzeichnen. Auf den Rat eines Dresdener Kollegen wende ich mich vertrauensvoll an Sie, ob Sie mir über diesen Herrn vielleicht einige Auskunft geben könnten. Sollte dies der Fall sein, so sehe ich Ihrer Freundlichkeit sehr verbunden entgegen.
    Mit größter Hochachtung
    Carl Wermuth,
    Redakteur des ‚Vorwärts‘.
    Ich wiederhole, daß ich verreist war und also auf dessen Wunsch, selbst wenn ich gewollt hätte, nicht eingehen konnte. Am 5. April 1908, also ein volles halbes Jahr später, erhielt ich von der Redaktion des ‚Vorwärts‘ eine weitere Zuschrift:
    „Zu unserem Bedauern haben Sie es bisher unterlassen, sich über die gegen Sie gerichteten Angriffe des Lebius' zu äußern resp. uns die notwendigen Beweismittel der ehrenabschneiderischen Tätigkeit des Lebius' in bezug auf Ihre Person zur Verfügung zu stellen. Wie ich von meinem Kollegen Wermuth erfuhr, hat Ihre Frau mitgeteilt, daß Sie sich zur Zeit auf Reisen befinden und nicht in der Lage seien, uns mit dem gewünschten Material gegen Lebius zu versehen. Ich hoffe, daß Sie inzwischen von der Reise zurückgekehrt sind und nunmehr …“
    Hiermit ist wohl zur vollsten Genüge bewiesen, daß nicht ich Herrn Lebius verfolge, sondern er mich. Herr Lebius behauptet, daß ich mich damals, am Sedanstag, an ihn gemacht habe, um dem ‚Vorwärts‘ beizustehen. Hier beweise ich, daß ich damals von jener Beleidigungsklage noch gar nichts gewußt habe, sondern daß der ‚Vorwärts‘ es mir erst einen Monat später mitteilte und dann aber nach wieder sechs Monaten noch gar keine Antwort bekommen hat! Ich hatte also Herrn Lebius volle sechs Monate geschont, wo es mir doch durch die Sozialdemokratie so bequem und leicht gemacht worden war, mich an ihm zu rächen. Daß ich ihn nicht verfolge, sondern von ihm fort und fort zur Notwehr gezwungen werde, ist übrigens auch schon dadurch erwiesen, daß ich es bis heut umgangen habe, als Zeuge gegen ihn auszusagen. Mit dieser Zeugenschaft für den

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