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74 - Mein Leben und Streben

74 - Mein Leben und Streben

Titel: 74 - Mein Leben und Streben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Menschenseele zu schreiben, für die Seele, nur für sie allein. Und nur sie allein, für die es geschrieben ist, soll es lesen, denn nur sie allein kann mich verstehen und begreifen. Für seelenlose Leser rühre ich keine Feder. Ein Musterschriftsteller, der Mustergeschichten für Musterleser schreibt, bin ich nicht und mag es auch niemals sein und niemals werden. Haben wir es erst soweit gebracht, daß wir nur noch Musterautoren, Musterleser und Musterbücher haben, dann ist das Ende da! Ich bin so kühn, zu behaupten, daß wir uns nicht die vorhandenen Musterbücher, sondern den vorhandenen Schund zum Muster zu nehmen haben, wenn wir erreichen wollen, was die wahren Freunde des Volkes zu erreichen streben. Schreiben wir nicht wie die Langweiligen, die man nicht liest, sondern schreiben wir wie die Schundschriftsteller, die es verstehen, Hunderttausende und Millionen Abonnenten zu machen! Aber unsere Sujets sollen edel sein, so edel, wie unsere Zwecke und Ziele. Schreibt für die große Seele! Schreibt nicht für die kleinen Geisterlein, für die ihr eure Kraft verzettelt und verkrümelt, ohne daß sie es euch danken. Denn gebt ihr euch noch so viel Mühe, ihren Beifall zu erringen, so behaupten sie doch, es besser zu können als ihr, obgleich sie gar nichts können! Und schreibt nichts Kleines, wenigstens nichts irdisch Kleines. Sondern hebt eure Augen empor zu den großen Zusammenhängen. Dort gibt es zwar auch Kleines, aber hinter und in diesem Kleinen wohnt das wahrhaft Große. Und wenn ihr dabei auch Fehler macht, so viele Fehler und so große Fehler wie Karl May, das schadet nichts. Es ist besser, auf dem Weg zur Höhe zuweilen zu stolpern und diese Höhe aber doch zu erreichen, als auf dem Weg zur Tiefe nicht zu stolpern und ihr verfallen zu sein. Oder gar erhobenen Hauptes und stolzen Schrittes auf seinem eigenen Äquator immer rundum zu laufen und immer wieder bei sich selbst anzukommen, ohne über irgendeine Höhe gestiegen zu sein. Denn Berge müssen wir haben, Ideale, hochgelegene Haltepunkte und Ziele.
    Vielleicht habe ich allzu viele Ideale und Ziele und laufe darum Gefahr, kein einziges von ihnen zu erreichen; aber ich befürchte nicht, daß es so ist. Was ich will und was ich erstrebe, das habe ich bereits gesagt; ich brauche es nicht zu wiederholen. Und ich habe schon so viele steile Höhen zu überwinden gehabt, daß ich mich unmöglich für einen jener armen Teufel halten kann, die immer auf ihrem eigenen, ebenen Äquator bleiben. Es gibt Leute, welche meinen Stil als Muster hinstellen; es gibt andere, welche sagen, ich habe keinen Stil; und es gibt Dritte, die behaupten, daß ich allerdings einen Stil habe, aber es sei ein außerordentlich schlechter. Die Wahrheit ist, daß ich auf meinen Stil nicht im geringsten achte. Ich schreibe nieder, was mir aus der Seele kommt, und ich schreibe es so nieder, wie ich es in mir klingen höre. Ich verändere nie, und ich feile nie. Mein Stil ist also meine Seele, und nicht mein ‚Stil‘, sondern meine Seele soll zu den Lesern reden. Auch befleißige ich mich keiner sogenannten künstlerischen Form. Mein schriftstellerisches Gewand wurde von keinem Schneider zugeschnitten, genäht und dann gar gebügelt. Es ist Naturtuch. Ich werfe es über und drapiere es nach Bedarf oder nach der Stimmung, in der ich schreibe. Darum wirkt das, was ich schreibe, direkt, nicht aber durch hübsche Äußerlichkeiten, die keinen inneren Wert besitzen. Ich will nicht fesseln, nicht den Leser von außen festhalten, sondern ich will eindringen, will Zutritt nehmen in seine Seele, in sein Herz, in sein Gemüt. Da bleibe ich, denn da kann und darf ich bleiben, weil ich weder störende Formen noch störendes Gewand mitbringe und genauso bin, wie mich die Seele wünscht. Daß dies das Richtige ist, das haben mir jahrzehntelange, schöne Erfahrungen bestätigt. Diese aufrichtige Natürlichkeit muß, kann und darf ich mir gestatten, weil ich das, was ich erreichen will, nur allein durch sie zu bewirken vermag, weil ich an meine Leser nicht andere oder gar höhere künstlerische Ansprüche stelle als an mich selbst und weil die Zeit, in der ich meinen Arbeiten auch äußerlich eine ästhetisch höhere Form zu geben habe, noch nicht gekommen ist. Jetzt skizziere ich noch, und Skizzen pflegt man zu nehmen, wie sie sind.
    Es gibt, die Humoresken und erzgebirgischen Dorfgeschichten abgerechnet, in meinen Werken keine einzige Gestalt, die ich künstlerisch durchgeführt und vollendet hatte,

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