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74 - Mein Leben und Streben

74 - Mein Leben und Streben

Titel: 74 - Mein Leben und Streben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ich bin, mit allen Fehlern und Schwächen, nicht aber wie der Redakteur mich zustutzt. Darum teilte ich Pustet mit, daß er von mir kein Manuskript mehr zu erwarten habe. Er versuchte, mich brieflich umzustimmen, doch vergeblich. Da kam er, der alte Herr, persönlich nach Radebeul. Das war rührend, hatte aber auch keinen Erfolg. Er schickte dann seinen Neffen, ganz selbstverständlich mit demselben negativen Resultat, denn sie beide waren es doch nicht, die sich an meinen Rechten vergriffen hatten. Da kam der Richtige, Heinrich Keiter selbst. Er versprach mir, daß es nie wieder geschehen solle, und daraufhin nahm ich meine Absage zurück. Man hat mir das von gewisser Seite bis heut noch nicht vergessen. Man drückt das folgendermaßen aus: „Heinrich Keiter hat Kotau vor Karl May machen müssen.“ Ich besitze hierüber Zuschriften aus nicht gewöhnlichen Händen. Aber er trug selbst die Schuld, nicht ich. Ich habe Heinrich Keiter geachtet, wie jedermann ihn achtete. Ich erkenne alle seine Verdienste an, und es tut mir noch leid, daß ich damals gezwungen war, Charakter zu zeigen. Es ging nicht anders. Ich mußte die Buchform meiner ‚Reiseerzählungen‘ nach dem Text des ‚Hausschatzes‘ drucken lassen und durfte darum nicht zugeben, daß an meinen Manuskripten herumgeändert wurde.
    Später schrieb ich für Pustet meinen vierbändigen Roman ‚Im Reich des silbernen Löwen‘. Ich war grad bis zum Schluß des zweiten Bandes gelangt, da bekam ich von befreundeten Redaktionen einen Waschzettel des ‚Hausschatzes‘ geschickt, dessen Inhalt mich veranlaßte, meine damalige Absage zu wiederholen. Ich telegrafierte Pustet, daß ich mitten in der Arbeit aufhören müsse und kein Wort weiter für ihn schreiben werde. Er mußte mir sogar das in seinen Händen befindliche, noch ungedruckte Manuskript wieder senden, wofür ich ihm das darauf entfallende Honorar wieder schickte. Ich würde hierüber kein Wort verlieren, wenn mir nicht vor kurzer Zeit, allerdings von sehr unmaßgeblicher Seite, mit Enthüllungen aus jener Zeit gedroht worden wäre. Ich habe darum die Gelegenheit wahrgenommen, hier die Wahrheit festzustellen. Und ich stelle zugleich noch weiter fest, daß ich mit Herrn Kommerzienrat Pustet niemals persönlich gebrochen habe und eine aufrichtige Freude und Genugtuung empfand, als er nach einer Reihe von ungefähr zehn Jahren seinen jetzigen Hausschatzredakteur, Herrn Königlichen Wirklichen Rat Dr. Otto Denk, zu mir nach Hotel Leinfelder in München sandte, um mich zu veranlassen, wieder Mitarbeiter des ‚Hausschatzes‘ zu werden. Ich habe ihm daraufhin den ‚Mir von Dschinnistan‘ geschrieben.
    Damit bin ich den mir gemachten Vorwürfen der Cardaunsschen ‚abgrundtiefen Unsittlichkeit‘ vorausgeeilt und kehre nun zu ihnen zurück, um dieser Angelegenheit auf Grund und Wurzel zu gehen. Der Grund heißt Münchmeyer, und die Wurzel heißt ebenso. Die hierher gehörigen Tatsachen bilden eine über dreißig Jahre lange Kette, deren Ringe logisch, geschäftlich und juristisch innig ineinandergreifen. Das meiste von ihnen ist erwiesen. Einiges liegt noch in den Akten, um an das Tageslicht gezogen zu werden. Ich bin nicht gewillt, den laufenden Prozessen vorzugreifen, und werde also nur diejenigen Punkte besprechen, über die volle Klarheit herrscht.
    Ich habe bereits gesagt, daß Münchmeyer meine Vorstrafen kannte. Er wußte sogar alles, was man hinzugelogen hatte. Er wünschte sehr, daß ich einen Roman hierüber schreiben möchte; ich lehnte das aber entschieden ab. Ich habe im Kreis seiner Familie und Bekannten meine Vergangenheit nicht verheimlicht, sondern ganz unbefangen davon erzählt und meine Ansichten über Verbrecher und Verbrechen, Schuld, Strafe und Strafvollzug ausführlich dargelegt. Kein einziges Glied der Münchmeyerschen Familie darf behaupten, nicht davon gewußt zu haben. Auch die Arbeiter der Firma erfuhren es, Setzer, Drucker und alle andern, ebenso die mitarbeitenden Schriftsteller. „May ist bestraft; er hat gesessen“, das drang bald leiser, bald lauter, aber überall durch. Es ist also grundfalsch, jetzt nun von plötzlichen ‚Enthüllungen‘ oder gar von meiner ‚Entlarvung‘ zu sprechen. Wer behauptet, er habe mich entlarvt, der lügt.
    Wichtig ist, daß Münchmeyer eine ganz ausgesprochene geschäftliche Vorliebe grad für bestrafte Mitarbeiter hatte. Geht man die Schriftsteller und Schriftstellerinnen durch, die für ihn geschrieben haben, so bilden die Bestraften

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