8 Science Fiction Stories, Eine Anthologie der Berühmten, 3te Folge
durch all die Jahrhunderte hindurch Schmerzen und Todesqualen erleiden mußten, wenn fremde Eindringlinge ihr Städte verwüsteten. Sie wurden nie gezwungen, sich beim Tode Ihres Mannes selbst zu verbrennen. Sie verbrachten nicht Ihre Jugend als Gefangene in einem Harem. Sie fuhren nie auf einem Sklavenschiff. Sie opferten niemals Ihre eigenen Interessen dem bloßen Vergnügen Ihres Herrn und Meisters … Das ist die Kehrseite. So etwas darf es nie wieder geben. Wir haben diese Dinge abgeschafft. Und Sie wollen vorschlagen, daß wir sie wieder zu uns holen sollen, um all die Leiden aufs neue zu kosten?«
»Aber die meisten dieser Dinge waren doch zu meiner Zeit schon abgeschafft«, widersprach ich. »Die Welt war auf dem Wege der Besserung.«
»Wirklich?« meinte sie lächelnd. »Ich möchte wissen, ob das auch die Frauen von Berlin dachten, als ihre Stadt fiel. Wurde die Welt wirklich besser? Oder stand sie nur am Anfang einer neuen Barbarei?«
»Aber wenn Sie das Schlechte nur loswerden, indem Sie gleichzeitig das Gute ausmerzen – was bleibt dann?«
»Viel. Der Mann war nur Mittel zum Zweck. Wir brauchten ihn, um Kinder zu bekommen. Und was tat er mit seiner überschüssigen Vitalität? Er stürzte uns ins Elend, indem er sinnlose Kriege entfesselte. Wir sind ohne ihn besser daran.«
»So glauben Sie wirklich, daß Sie die Natur verbessert haben?«
Mein Ton machte sie ungeduldig. »Zivilisation ist eine Verbesserung der Natur. Möchten Sie in einer Höhle leben, wo die meisten Ihrer Babys schon in frühester Kindheit sterben?«
»Es gibt gewisse Dinge«, begann ich, »fundamentale Dinge …« Aber ihre zarte, alte Hand brachte mich wieder zum Schweigen.
Draußen fielen Schatten über den Rasen. Ich konnte klar in der Stille des Abends Frauenstimmen hören. Sie sangen. Wir hörten zu, bis das Lied verklungen war.
»Schön«, sagte die alte Dame. »Könnten Engel süßer singen? Sie sind glücklich, nicht wahr? Unsere eigenen hübschen Kinder. Zwei meiner Enkelinnen sind unter ihnen. Ja, sie sind glücklich, und sie haben Grund zum Glücklichsein. Sie wachsen nicht in einer Welt auf, in der sie um die Gunst eines Mannes werben müssen. Sie werden nie einem Herrn und Meister dienen müssen. Hören Sie ihnen nur zu.«
Ein neues Lied klang fröhlich durch die Dämmerung zu uns herüber.
»Warum weinen Sie?« fragte die alte Dame, als der Schlußakkord verklungen war.
»Ich weiß, es ist dumm – ich kann nicht glauben, daß Sie recht haben – vielleicht weine ich, weil ich an all das denke, was Sie verloren hätten – wenn das Ganze nicht eine Halluzination wäre.« Ich schluchzte wild auf. »Unter den Bäumen müßten Liebespaare sein, die Hand in Hand dem Gesang lauschen und auf den aufgehenden Mond warten. Aber ich sehe keine Liebespaare, es wird sie nie, nie wieder geben …« Ich sah sie an.
»Haben Sie je diese Zeilen gelesen: ›Manche Blume erblüht in der Nacht und verhaucht ihre Süße unerkannt‹? Fühlen Sie denn nicht die Verlorenheit der Welt, die Sie geschaffen haben? Warum können Sie mich nicht verstehen?«
»Ich weiß, Sie haben erst wenig von unserer Welt gesehen, aber beginnen denn Sie nicht zu begreifen, wie schön und friedlich es ist, wenn Frauen nicht mehr um die Gunst von Männern kämpfen müssen?«
Wir redeten und redeten, bis die Dämmerung in Dunkelheit überging und die Lichter der anderen Häuser durch die Bäume schimmerten. Ihre Bildung war umfassend. Eine Zeitlang hatte ihr die Vergangenheit sogar gefallen, aber nie hatte sie die Gültigkeit des jetzigen Systems ernsthaft angezweifelt. Immer war es meine ›Erziehung‹, die mich daran hinderte zu sehen, daß das Goldene Zeitalter der Frau heraufgezogen war.
»Sie klammern sich an zu viele Mythen«, erklärte sie mir. »Sie sprechen von einem ausgefüllten Leben und meinen einen winzigen Lebensbereich in einer engen Vorstadt. Ausgefülltes Leben – Unsinn! Aber die Wirtschaft wußte, wo sie die Menschen am leichtesten lenken konnte. Ein wirklich ausgefülltes Leben wäre in jeder Gesellschaftsstruktur sehr, sehr kurz.«
Und so fort …
Schließlich erschien das kleine Zimmermädchen und meldete, daß meine Wärterinnen bereit seien, wenn ich wünschte, aufzubrechen. Aber es gab noch etwas, das ich vorher unbedingt klären wollte. Ich wandte mich an die alte Dame.
»Bitte, wie konnte das alles geschehen – ich meine, weshalb starben die Männer?«
»Durch einen reinen Zufall, meine Liebe – obwohl es ein
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