80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
dranzubleiben.
Dominik war sich aber zugleich im Klaren, dass er sie drüben in Amerika nicht zu lange sich selbst überlassen durfte.
Sie hatten ihre Verbindung wieder erneuert, doch er war sich nicht sicher, ob sie belastbar genug war, um der Entfernung und den Launen des Schicksals standzuhalten. Dominik wollte Summer wiedersehen, mit ihr zusammen sein. Ihr ging es genauso, das wusste er, und das relativ harmlose Abenteuer mit einem Fremden, an dessen Namen sie sich offenbar nicht einmal mehr erinnerte, war einfach nur ein Ausrutscher. Der Mann hatte als Lückenbüßer gedient. All das gehörte dazu und war sogar notwendig, wenn sie ihre eigene Beziehung festigen wollten.
Er wählte ihre Nummer. Ausnahmsweise bekam er sie gleich an die Strippe, ohne dass er umständlich eine Nachricht hinterlassen und einen konkreten Zeitpunkt ausmachen musste, an dem er persönlich mit ihr sprechen konnte.
»Ich bin’s.«
»Hallo, du.« Er hörte die Freude in ihrer Stimme. »Irgendwie habe ich geahnt, dass du anrufen wirst.«
»Wirklich?«
»Ja, ich hatte so ein Gefühl im Bauch.«
»Nur im Bauch?«
»Vielleicht auch noch woanders«, gab sie flirtend zu.
»Hör mal, ich komme in drei Wochen nach New York.«
»Ist ja fantastisch!«
»Es geht dabei um ein Bewerbungsgespräch. Ich habe nämlich bei einer Institution ein Stipendium beantragt, das es mir ermöglichen würde, neun Monate in New York zu leben. Wie findest du das?«
Sie zögerte einen Moment. Offenbar wurde ihr gerade bewusst, dass dies einen großen Schritt nach vorn für ihre Beziehung bedeuten konnte.
»Ähm … klingt toll.«
»Wenn ich da bin, erzähle ich dir mehr. Es könnte wirklich aufregend werden.«
»Ja.« Er spürte, dass sich Summer am anderen Ende der Leitung abschottete.
Eigentlich hatte Dominik vorschlagen wollen, dass sie sich, falls er angenommen würde, für die Zeit, in der er in der Stadt lebte und an seinem Buchprojekt arbeitete, eine gemeinsame Wohnung suchten. Aber als er das Zögern in ihrer Stimme hörte, bremste er sich. Ja, es wäre ein großer Schritt. Für sie beide. Ein Experiment. Für das sie vielleicht noch nicht reif waren.
»Und …«
»Und?«
»Nur ein Vorschlag. Es gibt keinen Grund, weshalb ich nach dem Gespräch in aller Eile nach London zurückfliegen sollte. Ich habe vorlesungsfrei bis ins neue Jahr. Wir könnten doch über die Feiertage irgendwohin fahren. Hast du nicht immer betont, wie gern du reist und dass es so viele Orte in den Staaten gibt, die du dir ansehen möchtest?«
»Wir geben an Heiligabend ein Konzert«, wandte Summer ein.
»Gut«, erwiderte Dominik. »Dann fliegen wir eben am nächsten Tag. Vielleicht irgendwo in die Sonne?«
Sie antwortete anders als erwartet. »Orchester haben während der Feiertage immer diese nervigen Konzerte am Hals«, fuhr sie fort. »Das Repertoire ist furchtbar. Nur leichte Muse, die das Publikum nun mal erwartet. Zu allem Überfluss wird auch noch ein Gastdirigent aus Wien eingeflogen. Strauss-Walzer, Pomp and Circumstance und dieser ganze Mist. Simón ist heilfroh, dass er sich drücken kann.«
»Simón? Wer ist das?«
»Unser Dirigent. Der Orchesterleiter.«
»Ich wusste gar nicht, dass er jetzt beim Symphonia ist. Er stammt aus Südamerika, nicht wahr? Ich habe einen Artikel über ihn gelesen.«
»Ja. Er leistet wirklich Großes. Hat sich mit Haut und Haaren der Musik verschrieben.«
»So wie du?«
»Mag sein. Das ist vielleicht der Grund, weshalb ich so gern mit ihm arbeite.«
»Gut.«
Einen Moment lang schwiegen beide. Dominik spürte, dass Summer allmählich ungeduldig wurde. Sie mochte keine langatmigen Telefongespräche.
»Wie lange hast du nach Heiligabend frei?«, fragte er.
Er hörte, dass sie ihr kleines Schlafzimmer durchquerte, um in ihren Kalender zu schauen.
»Die Proben beginnen erst wieder am vierten Januar«, antwortete sie.
»Prima«, meinte Dominik, »dann halte dir die Tage frei.«
Sie seufzte hörbar.
»Ich werde alles arrangieren«, betonte er, weil er wusste, wie sehr sie ihn als zupackenden Mann mochte. Er musste wieder zu seiner alten Form zurückfinden. Zum Teufel noch mal, das würde er auch.
Die drei vollen Tage, die sie in seinem New Yorker Hotelzimmer verbracht hatten, waren nur durch die vierstündigen letzten Orchesterproben für das Weihnachtskonzert unterbrochen worden, mit dem die diesjährige Konzertsaison endete. Immerhin hatten sich die Musiker zur Feier des Tages nicht, wie von Summer befürchtet und in
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