80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
London üblich, mit lustigen Hüten, falschen Weihnachtsmannbärten oder auf andere Weise peinlich ausstaffieren müssen. In einem Anschlag am Schwarzen Brett hatte das Management lediglich gebeten, nach Möglichkeit einen kleinen Stechpalmenzweig am Revers oder am Träger des Kleids zu tragen, und auch das war nicht zwingend vorgeschrieben. Schlimm genug, dass das Programm des Konzerts im Wesentlichen aus Berieselungsmusik bestand, Schund für ein Publikum meist aus den Vororten, das nur auftauchte, wenn die Weihnachtsbeleuchtung strahlte. Keine echten Musikliebhaber, sondern Leute, die für einen Tag aus Long Island oder New Jersey in die Großstadt kamen und nach ihren hektischen Einkäufen bei Macy’s oder FAO Schwarz noch schick ausgehen wollten.
Sie liebten sich unter den gerahmten Fotos der jungen Ingrid Bergman und Marlene Dietrich, die über dem Bett an der Wand hingen. Dominik hatte so kurzfristig kein Deluxe-Zimmer mit einem Kingsize-Bett mehr bekommen können, sie mussten also mit einem normalen Doppelbett vorliebnehmen und eng aneinandergeschmiegt schlafen. Für Leute mit Übergewicht war es sicher nicht geeignet, überlegte Summer.
Sie hätte Dominik auch zu sich nach Hause einladen können, obwohl es dort noch beengter gewesen wäre. Aber die Vorstellung machte sie nervös, als ob sich daraus eine größere Nähe entwickeln könnte als bei ihren stundenlangen Ficks, bis sie beide wund waren.
Summer ließ sich durch die Proben treiben, war mit den Gedanken nicht bei der Sache und fiedelte die Partitur mechanisch herunter. Sie wollte diese Pflichttermine so schnell wie möglich hinter sich bringen, um zu Dominik ins warme Bett zurückzukehren.
Das Zimmer in dem Hotel am Washington Square lag auf einer anderen Etage als das bei seinem letzten Besuch, war aber genauso geschnitten und gestaltet. Rosa, wie sie sich erinnerte, obwohl es bei offenen Vorhängen eher wie ein helles Purpurrot aussah. Seltsam, wie sich die Erinnerung aus dem Spektrum des Regenbogens bediente, und zwar aufs Geratewohl und je nach herrschender Gefühlslage. Das Zimmer war für sie inzwischen zu einer vertrauten kuscheligen Höhle geworden, wo sie sich bereitwillig Dominiks Armen und seinen besänftigenden Worten überließ.
Sein Körper war eine Landschaft, die sie schon bereist hatte, mit teils noch unerforschten Regionen und immer wieder überraschend wechselndem Herzschlag. Mit hellwachen Sinnen lauschte sie seinem Atem, der über ihre Haut strich, und genoss seine Berührungen. Es schien ihr – und dieser schrille Gedanke durchfuhr sie schon fast regelmäßig, wenn sie vögelten –, als gäbe es bei diesem Spiel zwei unterschiedliche Frauen namens Summer. Eine, die sie kannte und die sich fragte, warum ihr all dies nicht genüge, warum sie diesen Drang, dieses Verlangen nach mehr spüre, während ihr ein provozierendes, teuflisches Alter Ego heimtückisch ins Ohr flüsterte, dass es im Leben ganz bestimmt noch mehr gebe als das.
Allerdings blitzte dies immer nur kurz auf, wenn sie sich Dominiks kraftvollen Umarmungen ergab.
Er war ihr Mann. In diesem Augenblick. Er nagelte sie mit seinen Armen aufs Bett, wie sie es mochte, wenn sie sich Männern sexuell ergab. Sein Schwanz füllte sie aus mit fordernder Macht, und die Laute, die er ausstieß, als er in ihr war, zeigten gerade die richtige Mischung aus Zugewandtheit und animalischer Lust. Das reichte. Summer wusste, dass es der Augenblick war, der zählte. Denn solche besonderen Augenblicke dauerten nie lange.
»Sag mir, was du alles mit mir machen willst«, raunte sie heiser, als er mit einem weiteren heftigen Stoß ihre Möse unter Feuer setzte, sodass ihr eine Sekunde lang schwindlig wurde.
»Oh, vieles, Summer. Sehr vieles. Schlimme Sachen, schöne Sachen, schmutzige Sachen und gefährliche.« Seine Worte kamen leicht stockend. Das Gewicht seines Körpers drückte auf ihren Brustkorb, sodass sie nur flach atmen konnte.
Als er sie betrachtete, wie sie mit geschlossenen Augen unter ihm lag, die Haut so weich und nachgiebig im Einklang mit den Wellen ihrer Lust, wurde Dominik von einer Woge des Großmuts durchflutet, die die herrschsüchtigen Forderungen seines tief in Summer vergrabenen Glieds verdrängte. Wenn er in diesem Moment sterben müsste, hier, in dem Hotelzimmer, wo die Scheinwerfer des nahen Triumphbogens am Washington Square durch die Ritzen der Jalousien fielen, würde er glücklich und ohne Bedauern aus dem Leben scheiden.
Der Anblick ihres Gesichts
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