80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
Montage aus dem Nahen Osten, dessen Büro einen neuen luxuriösen Hotelkomplex an der Madison Avenue hochzog; Steve, einen Performance-Poeten aus England, der direkt vor unserem Konzert am Union Square aufgetreten war; Alice und Diana, die in Little Italy eine Kunst- und Performancegalerie betrieben; und Susan, eine Frau mit scharfem Blick, die gerne lachte und der Simón an der Tafel den Platz neben mir zugewiesen hatte. Es stellte sich heraus, dass sie Agentin war und einige Solo-Musiker in ihrer Kartei hatte.
Simón plauderte den größten Teil des Abends mit Steve und gab mir damit ausreichend Gelegenheit zum Smalltalk mit Susan.
Bevor sie ging, drückte sie mir ihre Karte in die Hand. »Melden Sie sich mal«, sagte sie. »Simón spricht in den höchsten Tönen von Ihnen, und er hat einen exzellenten Geschmack.«
Ich ging als Letzte. Als Simón mich zur Tür brachte, verabschiedete er sich herzlich, aber mit professioneller Distanz von mir.
»Noch mal herzlichen Dank für die Einladung«, sagte ich höflich.
»Es war mir ein Vergnügen«, erwiderte er und verbeugte sich leicht. »Ich freue mich, dass du Gelegenheit hattest, mit Susan zu sprechen.«
Sein Blick war durchdringend.
»Sie wirkt sehr nett.«
»Das ist sie. Und sie ist sehr gut.«
Als ich nach Hause kam, waren Baldo und Marija noch auf und lagen halb verschlungen auf dem Sofa. Sie genossen es, Thanksgiving in trauter Zweisamkeit zu feiern.
»Uuuuund?«, fragte Marija. »Verschweige nichts.«
»Dein Kuchen kam großartig an.«
»Ich hoffe, das war nicht das Einzige, das Eindruck gemacht hat«, kicherte sie.
»So läuft das nicht mit ihm. Wir sind Kollegen.«
»Ach, ja? Die alte Leier.«
Finster funkelte ich sie an, als ich die Tür zu meinem Zimmer öffnete.
Wahrscheinlich hat sie ja recht, dachte ich und ließ mich mit einem Seufzer aufs Bett fallen.
Das Korsett hing schlaff und vergessen an meinem Kleiderständer, seine silbernen Häkchen schimmerten im Licht der Nachttischlampe wie eine Reihe winziger Monde.
4
BOURBON STREET
Für Dominik war es ein Wink des Schicksals, dass die Besprechung einer Aufsatzsammlung mit einem Beitrag von ihm in der Zeitschrift Book Forum direkt neben einer Anzeige stand, in der die Public Library in New York mehrere Stipendien für Wissenschaftler und Autoren ausschrieb, finanziert von einer privaten Stiftung, die er bislang noch nicht kannte. Er schien alle Voraussetzungen zu erfüllen, die er auf dem Bewerbungsformular im Internet aufgelistet fand, sowohl von seiner wissenschaftlichen Qualifikation her, als auch was seine bisherigen Publikationen betraf.
Ehe Summer in sein Leben getreten und er dadurch abgelenkt worden war, hatte er sich des Längeren mit der Idee zu einem bestimmten Buch getragen, für das er allerdings ausgedehnte Recherchen in den wissenschaftlichen Bibliotheken Londons hätte anstellen müssen. Jetzt schoss ihm sogleich durch den Kopf, dass es kein besseres Umfeld für diese Arbeit geben könnte als einen eigenen Schreibtisch in der New York Public Library. Zugleich wäre es der ideale Vorwand, um neun Monate in Manhattan in Summers Nähe verbringen zu können. Die damit verbundene Lehrtätigkeit würde nicht besonders umfangreich und leicht zu bewältigen sein, und das Stipendium war großzügig bemessen. Zumal Geld selbst angesichts der New Yorker Mietpreise für ihn kein Thema war, über das er sich den Kopf zerbrechen musste.
Er schickte seine Bewerbung los und erhielt postwendend Antwort, er sei in die engere Wahl gekommen, und die Bewerbungsgespräche würden in der Woche vor Weihnachten stattfinden.
So fügte sich eins zum anderen.
Summer hatte ihm berichtet, dass sie sich kürzlich einen Abend lang auf ein Abenteuer eingelassen hatte. Doch Dominik war nicht eifersüchtig. Vor allem, weil sich ihr amüsiert vorgetragenes Geständnis mehr mit der Wohnung und den dominierenden Farben der Inneneinrichtung des Kerls befasste und sie kichernd beschrieb, dass dort kein einziges Buch zu sehen gewesen sei. Es war also eindeutig nichts Ernstes gewesen, sie hatte einfach nur Spannung abgebaut. Er durfte schließlich nicht erwarten, dass sie in New York wie eine Nonne lebte. Zum Glück fühlte sie sich so sicher, dass sie ihn über ihre kleinen sexuellen Abenteuer auf dem Laufenden hielt.
Weit aufgeregter hatte sie ihm davon erzählt, dass sie in der folgenden Woche einen Bondage-Kurs besuchen wollte. Er freute sich schon auf ihre Schilderungen und ermutigte sie, an der Sache
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