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80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)

80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)

Titel: 80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vina Jackson
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und vielleicht waren entsprechende Gerüchte bis ins Lehrerzimmer vorgedrungen. Jedenfalls hatte ich eines Tages erfahren, als ich zum Schwimmtraining kam, dass Graham an eine Nachbarschule versetzt worden war. Seine Stelle hatte eine o-beinige Frau in mittleren Jahren übernommen, deren grüner Badeanzug ihr froschähnliches Aussehen noch unterstrich.
    Ich gab das Schwimmen auf und widmete mich erneut voller Elan der Geige.
    »Schön, dass du wieder da bist«, hatte Mr. van der Vliet gesagt, obwohl ich keine einzige Unterrichtsstunde versäumt hatte. »Ich hatte mir schon Sorgen gemacht.«
    Obwohl ich Grund dazu gehabt hätte, war ich nie sauer auf den Schwimmtrainer gewesen, nur traurig, dass er mich nicht noch einmal hatte haben wollen. Ob richtig oder falsch, ich hatte es genossen. Damals war ich mir wie eine Erwachsene vorgekommen, doch als ich jetzt die Schulmädchen mit ihren Pausenbroten und ihren frischen Gesichtern sah, die auf mich wirkten, als sollten sie um acht Uhr abends im Bett liegen und sich höchstens noch einen Walt-Disney-Film anschauen, war ich schockiert, wie jung ich gewesen sein musste.
    Dennoch, ich fühlte mich verantwortlich, als wäre das Ganze meine Schuld gewesen. Natürlich hätte es Mr. Ivers besser wissen müssen, aber ich würde nie behaupten, dass er irgendetwas mit mir gemacht hatte, das ich nicht gewollt oder nicht genossen hatte und nicht jederzeit hätte abbrechen können.
    Ganz sicher war er nicht der Grund, dass ich so geworden war. Er hatte nur eine Flamme angefacht, die schon immer in mir geglimmt hatte und zu meiner Veranlagung gehörte wie mein rotes Haar. Er trug dafür nicht mehr und nicht weniger Verantwortung als der Sand für die Welle, die sich am Strand bricht.
    Ganz plötzlich drehte sich mir der Magen um. Ich entschuldigte mich und rannte zu den Mädchentoiletten.
    Im Spiegel sah ich so grau aus wie die Wände der Schulkorridore. Ich spritzte mir Wasser ins Gesicht, um mich wieder zu fangen, und spülte mir erschöpft den Mund aus.
    Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass die Zeit nur so raste. Ich würde zu spät zu dem Treffen mit den älteren Musikschülern kommen, die mich heute Abend beim Konzert begleiten sollten. Der Rest des Tages war für unsere Proben vorgesehen.
    Zeit, sich zusammenzureißen.
    Graham wartete vor den Mädchentoiletten auf mich.
    »Nicht gerade schlau von dir, hier herumzuhängen«, sagte ich ungeduldig, weil ich schnellstens zur Probe wollte.
    Sein Gesicht färbte sich tief dunkelrot. Er hatte einiges von seinem jugendlich athletischen Erscheinungsbild verloren und bekam bereits ein Doppelkinn. Sein Haaransatz war weit nach hinten gerutscht, sodass seine Stirn aussah wie ein Ei, das gerade aus dem Hinterteil einer Henne tritt. Außerdem hatte er inzwischen zu rauchen begonnen, in seinen Kleidern hing abgestandener Zigarettenrauch. Ich hielt die Luft an.
    »Tut mir leid«, setzte ich hinzu. »Das hätte ich nicht sagen sollen. Kommst du heute Abend zum Konzert?«
    Er nickte.
    »Dann bis später«, sagte ich munter und sauste zum Musikzimmer, wo die jungen Musiker, die mich begleiten sollten, schon warteten.
    Sie waren nett und nicht annähernd so nervös wie Mrs. Drummond. Ich hatte ihnen vorab geschrieben, welche Musikstücke ich mir vorstellte. Stundenlang hatte ich das Programm geplant, weil ich den Menschen hier, die bis auf wenige Ausnahmen wahrscheinlich noch nie ein einziges klassisches Stück gehört hatten, die Musik in einer leicht verständlichen Form darbieten wollte.
    Das meiste stammte aus Enzso, einer Gemeinschaftsproduktion von Split Enz und dem New Zealand Symphony Orchestra. Den Anfang machte »Message to My Girl«, der Song, den ich im Hotel am Washington Square gespielt hatte, als Dominik nach meinem Intermezzo mit Victor wie durch Zauberhand wieder in mein Leben getreten war. Dieses Lied ergriff mich selbst noch beim zehnten Durchlauf.
    Dann hatte ich einige Instrumentalstücke aus der Verfilmung von Herr der Ringe ausgesucht, die Jugendliche besonders zu begeistern schien.
    So bescheiden die Bühne auch war, in der Aula des Te Aroha College hatte ich zum ersten Mal Gelegenheit, etwas nach meinen Vorstellungen zu präsentieren. Daher freute ich mich auf dieses Konzert trotz des geringen Glamourfaktors am meisten. Bei meinen Auftritten in den großen Städten würde das Programm konventioneller sein und vor allem aus altbewährten Klassikstücken bestehen, einschließlich Vivaldi, der so etwas wie meine

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