84, Charing Cross Road
einen Abschluss zu machen, und habe darüber hinaus eine volle Stelle als Lehrerin, und Mama – sie kann nie aufhören! So befürchte ich, dass wir sehr schlechte Briefschreiber sind – obwohl wir, natürlich, gern Briefe bekommen. Dennoch werden wir versuchen, Ihnen nach Möglichkeit zu schreiben, wenn Ihnen das gefallen würde, und freuen uns darauf, von Ihnen zu hören.
Herzlich Ihre
Sheila
Nachwort
Es gibt Bücher, die ihre Leser von der ersten Seite an in Bann ziehen und unwiderstehlichen Charme verbreiten. Sie treffen einen Tonfall, der Glaubwürdigkeit ausstrahlt und den Eindruck erweckt, als ließe sich ein wunderbarer Einklang zwischen den Menschen und der Welt herstellen, zumindest im imaginären Reich der Literatur. Helene Hanff hat ein solches Buch – » 84 , Charing Cross Road« – geschrieben, und es ist auch die Zufälligkeit seines Entstehens, die ihm seinen Reiz gibt. Die 1917 in Philadelphia geborene Helene Hanff ließ sich von den Essays des Literaturkritikers Sir Arthur Quiller-Couch inspirieren und machte sich nach dem Zweiten Weltkrieg in ihrem Wohnort New York auf die – vergebliche – Suche nach den Büchern, die ihr Lehrmeister empfahl. Eine Zeitungsannonce des Londoner Antiquariats Marks & Co. verhieß Rettung: Helene Hanff schrieb an die in der Charing Cross Road, Nummer 84 , gelegene Buchhandlung und gab eine ganz normale Bestellung auf …
So setzte ein Briefwechsel ein, der sich über zwanzig Jahre erstreckte und der nach und nach seinen Charakter veränderte. Was als nüchterne Geschäftskorrespondenz begann, entwickelte sich zum Wechselspiel der Gedanken und Gefühle zwischen Menschen, die sich nie begegnet waren und die dennoch zu Freunden wurden. Natürlich tauschen sich Helene Hanff und ihr Gegenüber, der findige Antiquar Frank Doel, über Bücher aus: über das Gefühl, seltene Editionen anfassen, die Seiten als Erster aufschneiden oder eine brillante Goldprägung bewundern zu dürfen. Die Büchernärrin Hanff weiß mit den Schätzen umzugehen, die ihr Frank Doel und seine Mitarbeiterinnen ans Herz legen; sie ist eine kritische Leserin, weist mit Empörung hässliche Ausgaben oder missratene Übersetzungen zurück und kann schon im nächsten Augenblick ihre Begeisterung über ein exquisites Fundstück aus den unerschöpflichen Beständen der Charing Cross Road kaum zähmen.
Um Bücher geht es, wie gesagt, um ihre Anziehungskraft, ihre Inhalte und ihre Gestaltung. Je vertrauter freilich der Briefton wird, desto stärker zeigt sich die Anteilnahme am Leben des anderen. Die Amerikanerin Hanff ist empört, als sie von den Lebensmittelrationierungen im England der Nachkriegszeit erfährt, und sinnt, obwohl ihr schmaler Geldbeutel wenig Spielraum lässt, sofort auf Abhilfe: Über eine dänische Firma lässt sie Pakete mit Eiern, Schinken und Konserven nach London fliegen und stabilisiert die intellektuelle Lust an Büchern höchst pragmatisch mit kulinarischen Köstlichkeiten, die im Antiquariat Entzücken und Dankbarkeit hervorrufen.
An Themen mangelt es Helene Hanff und Frank Doel nicht. Mal gilt die Aufmerksamkeit einer teuren Zahnbehandlung, mal den Präsidentschaftswahlen, mal der Thronbesteigung Elisabeths II ., mal den sportlichen Aussichten der Brooklyn Dodgers und der Tottenham Hotspurs, mal der Zubereitung eines klassischen Yorkshire-Puddings und mal dem ersten Auto, das sich Familie Doel zulegt. Immer wieder steigt aus diesen Briefen ein Lebensmut empor, der die Widrigkeiten des Alltags wahrnimmt und dennoch nie obsiegen lässt. Nach und nach erwächst in der England-Liebhaberin Helene Hanff der Wunsch, ihr Sehnsuchtsland und vor allem die nahen und doch fernen Freunde in der Charing Cross Road persönlich kennen zu lernen. Jahr für Jahr werden Reisepläne geschmiedet, und mit gleicher Regelmäßigkeit tun sich Hindernisse auf, die die Verwirklichung des Traums vereiteln. Vielleicht schreckte Helene Hanff insgeheim sogar davor zurück, ihren Freunden real zu begegnen, aus der Angst heraus, dass die Realität mit der herrlichen Leichtigkeit der Korrespondenz nicht mithalten könnte.
1969 endet dieser einzigartige Briefwechsel abrupt. Frank Doel stirbt nach kurzem Krankenhausaufenthalt, ohne seine ferne Freundin in New York je gesehen zu haben. Diese ist konsterniert und entschließt sich, die Briefe zu ordnen und einer Zeitschrift zum Druck anzubieten. Eine Schicksalsfügung bringt es mit sich, dass sich ein Buchverlag für das schmale Konvolut
Weitere Kostenlose Bücher