900 Großmütter Band 2
Dinge«, sagte Gregor. »Was war das zum Beispiel für ein Volks held, der den Wurfpfeil machte? Und woraus mach te er ihn?«
»Willy McGilly war der Volksheld«, sagte Epikt mit der Stimme Valeries, die mit knapper Not noch rechtzeitig an das Sprachrohr herangekommen war, »und er machte ihn aus glattem Grünulmen-Holz.«
»Könnten wir auch einen Wurfpfeil machen, so wie Willy der Volksheld?« fragte Aloysius.
»Wir müssen!« sagte Epikt.
»Könnten wir eine Schleuder machen, damit wir den Pfeil aus unserem Weltgefüge hinausschießen und in –«
»Könnten wir einen Avatar damit töten, ehe er jemand anders tötet?« fragte Gregor aufgeregt.
»Werden wir bestimmt versuchen!« sagte der Geist Epikt, der nur eine Katschenko-Maske mit einem Sprachrohr war. »Ich habe diese Avatare nie leiden können.«
Ihr denkt vielleicht, Epikt war nur eine Katschenko-Maske mit einem Sprachrohr? Es steckte eine ganze Menge mehr in ihm: rote Granatsteine und echtes Meersalz, und ein Pulver aus Biberau gen, dazu Klapperschlangenklappern und Gürteltierpanzer. Er war die erste Ktisthetik-Maschine.
»Sag mir wann, Epikt!« rief Aloysius ein paar Minuten später, als er den Pfeil in die Schleuder eingesetzt hatte.
»Wirf! Triff das Miststück von Avatar!« brüllte Epikt.
Und gegen Sonnenuntergang, in einem nicht numerierten Jahr, auf dem Weg von Nirgendwo nach Eom, fiel ein Avatar tot zur Erde, einen Pfeil aus glattem Grünulmen-Holz in seinem Herzen.
»Funktioniert es, Epikt? Hat es geklappt?« fragte Charles Cogsworth aufgeregt. »Es muß. Ich bin da. Bei dem letzten war ich nicht da.«
»Sehen wir uns mal das Material an«, schlug Smirnow gelassen vor.
»Zum Deibel mit dem Material!« fluchte Willy McGilly.
»Denken Sie ans erste Mal, Gregor Fedorowitsch!«
»Hat es schon angefangen?« fragte Glasser.
»Ist es schon vorbei?« forschte Audifax O’Hanlon.
»Drück auf den Knopf, Epikt!« bellte Diogenes. »Ich glaube, ich habe ein Stück ausgelassen. Wollen’s nochmal probieren!«
»O nein, nein!« wehrte Valerie ab. »Nicht nochmal! Dabei kommt doch bloß wieder Stinktierkotelett und Wahnsinn heraus.«
Der Name der Schlange
Als Pius XV – Confieantur Domino Miserkordia ejus – sie proklamiert hatte, wurde sie, – selbst von den Gläubigen – mit einem gewissen ennui aufgenommen. Verzwickt, spekulativ, rhetorisch – aber alles andere als praktikabel. Das war der allgemeine Eindruck. Pius gehörte nicht grade zu den brillantesten Päpsten des Jahrhunderts.
Die Enzyklika trug den bescheidenen Titel ›Euntes ergo docete omnes‹ (Gehet also hin und lehret Alle).Ihr Grundgedanke war, daß es sich hier um einen wörtlich zu nehmenden Befehl des HErrn handelte, und daß die Zeit gekommen sei, diesen Befehl in seiner extremsten Bedeutung auszufüh ren; will sagen: wenn der HErr befohlen hatte ›Gehet hin in alle Welt‹, so hatte er nicht nur diese eine enge Erde damit gemeint; und wenn es hieß: ›und lehret alle Menschen‹, so war damit nicht gemeint: ›… innerhalb des engen Rahmens, in dem wir bisher den Terminus Mensch verstanden haben.‹
War dieses Gebot also wörtlich zu nehmen, so würde seine Erfüllung weitreichende Aktivitäten nach sich ziehen. Und in der Erfüllung dieses Gebotes befand sich der Pater Barnabas zur Zeit auf dem Analos, jenem sehr fernen Planeten.
Konnte man die Analoi Menschen nennen? Wären ihre Skelette als Fossilien auf unserer alten Erde gefunden worden, so hätte man sie ohne Zögern unter die Menschen eingereiht. Ihre seltsam geformten Ohren – in Wirklichkeit gar nicht so groß, wie sie aussahen –, die in ihrem spitzen Aufwärtsschwung etwas Gotisches hatten; ihre bemerkenswert bewegliche Mimik und ihren chamäleonartigen Teint hätte man den Knochenresten nicht anmerken können. Aber wie kommen wir überhaupt zu der Ansicht, ihre Ohren seien grotesker als unse re? Wann haben Sie zuletzt Ihre eigenen Ohren objektiv betrachtet? Sind das nicht reichlich komische Gebilde, die einem da zu Seiten des Kopfes kleben?
»Wie die Chimären, die Wasserspeier an einem gotischen Dom«, hatte ein früher Besucher von der Erde gesagt. Natürlich! diese Chimären hatte nämlich ein noch früherer Besucher von der Erde nach dem Modell der Analoi geschaffen. Aber diese Analoi waren schon ein lebhaftes und hochinteressantes Chimärenvölkchen: sie besaßen eine hochentwickelte mechanistische Zivilisation und eine seltsame Ethik; vom künstlerischen Standpunkt waren sie
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