900 Großmütter Band 2
da s fü r ein e Legende? « fragt e ich.
»Die Legende besagt, daß au f alle n Planete n die Menschen (oder um was fü r Geschöpf e auc h imme r e s sic h handelte ) geprüf t wurden. Auf einigen Planeten bestande n si e die s e Prüfung in Gnaden. Aus solchen wurden die transz endente n Welten , di e sich meh r al s Stern e den n al s Planeten verstehen und ihre Sonnen verschlucken, so daß sie im Ineinanderaufgehen ihrer Bewohner voll erstrahlen und im Zustand leuchtender Gnade leben . Di e a m höchsten entwickelte n unte r diese n s i nd in sich geschlossene Körper, von denen wir nur indirekt e Kenntni s haben; ihre Insichgeschl ossenhei t is t s o m ächti g und dicht, daß sie weder L i cht noch Gravitation noch irgendwelche anderen Str ahle n aussenden . Si e werden in ihrem eigenen R a um und außerhalb dessen, was wir Raum nennen, zu t o talen, in sich ruhenden Universen und befinden s i ch auf Grund ihrer Einheit von Mentalität und Geist i m Zustan d absoluter Vollko mme nheit.
Dann gibt es aber andere Welten , wi e etw a die Erde, deren Menschen d e r Gnad e nich t teilhaftig wurden . Au f diese n Welt en hat jede Person einen Abgrund in sich und ist zu großen Höhen wie zu großen Tiefen fähig. Nach unserer Legende waren di e Bewohne r diese r Welte n dazu verda mmt , nach ihrem Fall dreißigtausend Jahre lang in den Körpern von Tieren zu leben, bevor e s ihne n erlaub t war, den langsa m en, de m ütig e nden Wiederaufstieg zu ihre r frühere n Persönlichkeit , an den sie sich noch erinnerten, zu beginnen.
I m Fall e de r Camiro i wa r e s jedoc h anders . Wir wissen nicht, ob es noch m e hr Welten gibt, bei denen die Dinge ähnlich lieg e n . Jedenfall s fie l die Urbevölkerung des Ca mi r o i bei der Prüfung nicht durch , abe r si e bestan d auc h nicht . Di e Camiroi konnte n sic h nich t entschließen . Si e zögerten . Sie überlegten sich die Geschichte, und dann überlegten si e nochmal . Dahe r sin d di e Camiro i fü r ewige Zeite n daz u verurteilt , alle s wa s si e tun , gena u zu überlegen . Dahe r sin d wi r da s zweideutig e Volk, das zu neugierigem und konsequentem Denken fähig ist. Und doch hungern wir nach den Höhen sowohl als auch nach den Tiefen , di e wi r beid e verfehl t haben . Gan z bestimm t lieg t unser e Goldene Mitte , unse r freundliche s Plateau , höhe r al s di e Höhen der me isten anderen Welten , höhe r al s di e der Erde, glaube ich. Jedoch es erheb t sic h auc h nicht zur allerhöchsten Höhe.«
»Aber ihr glaubt doch n i cht an Legenden«, sagte ich.
»Eine Legende kann eine Aussage von höchstem wissenschaftliche m Wer t s ein, nämlich dann, wenn si e di e einzig e zu r Verfügun g stehend e Aussag e ist «, antwortet e de r Camiroi . »Wi r sin d da s Volk , das verstandesgemä ß lebt . Da s i st ein ganz gutes Leben, abe r e s fehl t ih m a n Salz . Ih r schätz t di e utopischen Ideal e seh r hoc h ein , un d s i e übe n auc h ein e gewisse Wirkung aus. Dennoch m üßt ihr fühlen , da ß si e alle etwa s Fade s a n sic h hab en. Und, ge me ssen am Erden-Standard, sind wir U topia . Wi r sin d ein e Welt de s dritte n Falles . Un s entgeh t seh r vieles . Die Freuden der Ar m ut bleiben un s i m allgemeine n versagt. Wir haben einen gewissen Hunger danach, nich t imme r s o tüchti g se in zu m üssen; daher sind besti mmt e Erdendinge hier hochwillko mme n: schlecht e Erden-Musik , schlecht e Erden-Malerei, - Skulptur und -Theater zum Beispiel. Gutes können wi r selbe r produzieren . Zum Schlechten sind wir unfähig, das m üssen wir i m portieren. Manche von uns glauben aber, es g e höre notwendigerweise zur Diät.«
»Wenn das so ist, dann k o mm t mi r e u r e S it u ati on höchs t beneidenswer t vor« , sagt e ich.
»Eure ist es nicht«, sagte er, »und doch seid ihr di e vollständigere n Wesen . Ih r besitz t beid e Hälften , un d ih r hab t eur e Maßstäbe . Wi r wisse n natürlich , da ß de r Gebe r nir gendwo und nie m als ein Leben geschenkt hat, ohne daß eine wirkliche Notwendigkeit dafür bestand, und daß alles Geborene ode r Erschaffen e sein e ure igene Rolle zu spielen hat. Aber wir hätten uns gewünscht, daß der Geber i n diese r Hinsich t un s gegenüber etwas großzügiger gewese n wäre ; un d speziel l beneide n wi r di e Erde.
Noc h etwa s andere s m ach t unse r Lebe n so schwierig: wir vollbring e n unsere großen Leistungen in fernen Welten, und in verhältnis mä ßig jugendlichem Alter. Wir sind m
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