~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)
verfliegt im halbgrau des Morgens.
31.08.09 23,5km nach Belorado - Noch ein Fest, noch mehr Urlaub
Der Tagesanfang ist schwer. Mein gesamtes linkes Bein braucht über zehn Kilometer bis es sich damit abfindet laufen zu müssen. Die Schmerzen geben auf. Über Schotterstraßen und ein wenig Asphalt geht es durch viele kleine Dörfer. Immer mit der Möglichkeit dort zu bleiben. Eine sehr angenehme Sicherheit, durch die es mir gut geht, durch die ich unbesorgt sein kann.
Unterwegs rette ich das Paar-mit-Hut vor Wassermangel, ich habe mehr als genug mitgenommen und trinke momentan erstaunlich wenig.
Als ich an einer viel befahrenen Straße entlang gehe werde ich oft gegrüßt von den Autofahrern. Sie motivieren Pilger wohl gerne mit einem Hupkonzert. Eine andere Version des ‚buen camino’, wenn man so will. Das bringt Freude in den Pilgeralltag, ich fuchtle mit meinem Pilgerstab als Gruß zurück. Ein Reisebus mit melodischer Hupe und winkenden Fahrgästen bringt mich zum Lachen. In solchen Momenten bin ich gerne Pilger.
Vom großen Volksfest in Belorado sondere ich mich ein wenig ab und genieße die Herberge. Ein Pool im Garten lässt nicht nur bei mir echte Urlaubsstimmung aufkommen. Obwohl ich eigentlich nicht im Urlaub bin. Im Urlaub suche ich nichts . Wie fern bin ich noch von mir selbst? Dennoch. Schnell haben mich Freunde überredet mit ihnen zu planschen. Wie die Kinder.
Später am Tage gibt es eine große Diskussion über Bettelpilger. Solche sind absichtlich, oder aus finanziellen Gründen, mit sehr wenig oder ohne Geld unterwegs. Moralisch ist das schwierig. Andere Menschen bezahlen für sie, verzichten auf Lebensunterhalt oder Gewinn. 40 Tage auf diese Weise im eigenen Land und man wäre vermutlich nicht sonderlich gut dran. Respekt zu zeigen jedoch, sehe ich als wichtigstes Merkmal der Pilgerschaft an. So unmöglich es ist diesem immer gerecht zu werden.
Ob man wohl alle politischen Probleme dieser Welt lösen könnte. Hier? Indem einfach alle Landesoberhäupter zusammen pilgern gingen. Ohne ihren Luxus. Ohne Hilfe. Ihrem Sein ausgeliefert wie Ich jetzt. Menschen in ihrer reinsten Natur. Jedenfalls so rein es auf die Schnelle gehen kann.
Ein schönes Abendessen mit vielen bekannten Gesichtern rundet den Tag ab. Viel Wein lässt mich schnell und ruhig einschlafen. Insgesamt habe ich heute 3x Eis gegessen … was kann es besseres geben?
01.09.08 12km nach Villafranca - Kulinarische Köstlichkeiten aus der Mikrowelle
Vor 14 Tagen bin ich aufgebrochen. Einerseits kommt es mir vor, als wäre ich gestern erst losgelaufen. Andererseits bin ich auf dem Weg schon so heimisch, dass es sich wie eine Ewigkeit anfühlt.
Noch bevor ich heute die Schuhe anziehe entschließe ich zusammen mit Mark und Marie-Rose nur zwölf Kilometer zu gehen. Grund ist die Streckenplanung der nächsten Tage. Ein wunderbarer Luxus. Wir bleiben lange liegen in unseren Betten. Dann, als wir unterwegs sind, halten wir in jedem kleinen Dorf an und machen eine Pause. Manchmal mit, manchmal ohne Kaffee. Es ist recht kühl diesen Morgen, der Kaffee wärmt unser Blut und ein wenig auch die Seele.
Der Weg ist recht steinig. Nicht wie die gemütlichen Schotterwege, sondern eher Lehmwege in denen größere und kleinere Steine so verteilt sind, dass ich immer wieder stolpere und dankbar bin für die überknöchelhohen Schuhe. Mit kaputten Knien wird für mich der kleinste Stein zum Berg. Jeder kann Stolpern bedeuten. Und jedes Stolpern kann das Ende des Weges sein. Zu oft habe ich davon gehört, wie schnell es geht, wie schnell alles vorbei sein kann. Ich kann mich nicht nicht fürchten davor. Zu allem Überfluss falle ich beinahe auf eine befahrene Straße, beim Klettern über die Leitplanke, um zurück auf den richtigen Weg zu gelangen.
In Villafranca angekommen kaufen wir ein. Das übliche Schema. Jeden Tag das Gleiche. Und ich muss zugeben, dass es mir gefällt. Ich mag es mehr als ich möchte, wenn ich weiß was mich erwartet. Wenn ich – wie immer – planen kann, Erwartungen hegen zu vermag, die auch erfüllt werden. Ich kann es nicht abschütteln. Will ich es denn? Muss ich es denn?
Doch heute wartet eine besondere Herausforderung auf uns: In Villafranca gibt es in der Herberge nur eine Mikrowelle. So wird das Kochen schwieriger, experimenteller. Es gibt Suppe aus Tomaten und Zwiebeln, dazu Salat. Einen Herbergsvater scheint es so wenig zu geben wie eine funktionierende Küche. Wir genießen die dampfende Suppe,
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