~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)
in der Kälte des Tages tut sie gut.
Gespräche begleiten den Tag. Ich dusche mich, rasiere den Bart ab, der beständig versucht zu wuchern, noch einmal wird gekocht. Meine Schuhe werden mal wieder gesäubert. War Zeit. Ich stelle fest: Irgendwo hab ich mein Schmerzsalbe verloren. Langsam frage ich mich ob sich alle Dinge die ich verliere an einem geheimen Ort treffen um dort eine Party zu feiern.
Wie immer an Tagen an denen ich viel Zeit habe denke ich nach, philosophiere ein wenig über meinen Weg: Auch wenn es nicht perfekt oder ohne Schmerzen ist, ist der Weg vielleicht genau so der richtige für mich. Vielleicht muss es wehtun, damit es richtig intensiv und lebendig sein kann? Vielleicht habe ich auch einfach nicht die Wahl zu entscheiden. Schließlich habe ich die Wahl auch im Leben nicht immer. Nur weil ich einen entspannten Weg gehen möchte, habe ich doch nicht die Wahl einfach stehen zu bleiben, nur weil es einmal bergig wird.
02.09.08 18km nach Atapuerca - Eine Wolke namens Nimbus
Der Weg beginnt früh am Morgen. Steil und stetig. Etwa eine halbe Stunde lang geht es so. Dann manchmal auf, manchmal ab, manchmal über Schotterstraßen, dann wieder meine besonders geliebten Lehmstraßen auf denen ich jeden fünften Schritt über einen Stein stolpere. Es geht durch mehrere kleine Wäldchen. Waldspaziergangsatmosphäre ist in mir. Ein steter kühler aber nicht kalter Wind weht von vorn. Dank der Bandage spielt das linke Knie heute mit und die Strecke ist zügig geschafft. Meist gehe ich alleine, nur den Doktor und seine Familie sehe ich einmal
.
Atapuerca ist ein kleines Dörfchen mit einem winzigen Laden, aber einer umso schöneren Herberge am Ortseingang. Spontan lädt mich ein Spanier, der nur vier Tage gelaufen ist und den ich an allen diesen vier Tagen getroffen habe, zum Mittagessen ein und wir haben viel Spaß, obwohl es schwer ist eine richtige Unterhaltung aufzubauen. Dafür reicht mein Spanisch leider nicht. Wein und noch ein Likörchen nach dem Essen machen mich schon mittags leicht beschwippst und ausgelassen. Freiheit liegt in der Luft.
Später am Tag philosophiere ich ob der hübschen Zimmergenossin über Beziehungen auf dem Jakobsweg. Sicher sind sie nicht leicht, denke ich mir. Dasselbe Tempo, dieselbe lockere und fröhliche Einstellung zu haben ist fast wie Zwang. Egal ob man sich erst auf dem Weg kennen lernt oder schon als Paar hierhergekommen ist. Der Weg wird schnell zum Prüfstein, wie lange und gut man die Eigenarten des anderen annehmen kann. Ich bin froh der Einzige zu sein, der von meiner Langsamkeit abhängt.
Nach meiner Philosophiestunde gehe ich etwas nach draußen und rede mit einer Kinderbuchautorin namens Bets. Sie schreibt an einem Werk, das eine kleine Wolke namens Nimbus als Hauptfigur enthält. Ich selbst bräuchte wohl ein paar Jahre in denen ich nicht arbeiten muss um alle meine schriftstellerischen Ideen zu veröffentlichen. Jeden Tag zu schreiben nebst Uni, die auch sehr schreiblastig ist, dazu bin ich wohl zu faul. Sowieso ist noch so vieles offen wenn ich heimkehre. Auch das Jakobsweg-Buch, also dieses hier, muss noch geschrieben werden. Wie alles das was noch ansteht in mein kleines Leben passen soll weiß ich nicht, besonders da ich es zu sehr liebe Zeit zu verschwenden. Ich muss mich zwingen endlich etwas zu schaffen. Wenn ich daheim bin. Die Worte wollen frei sein, sie wollen mehr sein als nur auf meinem Papier, sie wollen in den Gedanken anderer Fantasie, Realität, Sein und Wahn sein.
03.09.08 23km bis Burgos - Eine Großstadt mit Äpfeln, Orangensaft und der versuchten Verführung zur Sünde
Der Tag beginnt mit einem felsigen Aufstieg. Viel zu essen habe ich nicht mehr, ein wenig Hunger sogar, ich habe gespart beim Frühstück. Es soll viele Möglichkeiten geben nach Rom … Burgos … zu kommen. Einen Weg an der Straße entlang, einen etwas weiter außen herum an einem Fluss gelegen und noch irgendeinen dritten, an den ich mich nicht mehr erinnern kann.
Die Abzweigung zum Alternativweg am Fluss entlang verpasse ich natürlich. Es wäre auch wirklich sehr seltsam gewesen hätte ich sie gefunden. Immer verlaufe ich mich. Wie in meinem Leben daheim. Schaffe mir selbst Umwege, wo eigentlich keine sind, versuche sie zu nehmen wie sie sind. Auch hier und jetzt.
So geht es nun also an der Straße entlang, quer durch das Industriegebiet. Immer geradeaus, immer auf Fußwegen. Die Autokolonnen stören mich nicht so sehr wie ich erwartet habe und da
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