A Strong Hand (German Edition)
Alex. Vermutlich, weil er genau weiß, dass Pierre dafür noch immer nicht qualifiziert ist. Er ist zwar mittlerweile im dritten Lehrjahr, aber an dem Tag, als er sich hier beworben hat, stand vermutlich ‚Vollidioten‘ auf dem Schild.
»Hol' doch gleich die Putzfrau und frag', ob sie einen neuen Job braucht«, sage ich zynisch. Denn wenn Pierre irgendwas überhaupt nicht kann, dann ist es anrichten – abgesehen von all den anderen Sachen, für die er auch zu blöd ist. Fleisch kann er nicht. Soßen auch nicht. Die Liste ist endlos. Wobei, neulich, als einer meiner beiden Spüler unentschuldigt gefehlt hat, hat er seine Sache als Ersatz gar nicht so schlecht gemacht. Außerdem kann er mittlerweile auch gut ‚Mise en Place‘ kloppen und Gemüse schälen. Allerdings hab' ich keine Ahnung, wie er es damit durch die Gesellenprüfung schaffen will…
»Claas?«
»Chef?«, höre ich es von irgendwoher aus der Küche.
»Mach' den Pass, sonst gibt das eine Katastrophe. Und damit meine ich nicht nur, dass ich ausflippe…«
»Okay!« Nur ein paar Sekunden später steht Claas neben mir und wischt sich die Hände am Touchon ab.
Eigentlich ist der Pass als Küchenchef zum Großteil meine Aufgabe. Jedenfalls, nachdem ich die Einteilung für den Abend gemacht habe. Ich koche nicht mehr allzu oft selbst. Diese Typen brauchen Aufsicht. Aber da Patrick für die nächsten Wochen ausfällt, bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mich selbst an den Herd zu stellen. Und ich hab' keine Ahnung, wie dieser Laden hier so lange mit einen Mann weniger funktionieren soll… Ich hatte noch nicht viel Zeit, darüber nachzudenken Vielleicht könnte ich Claas das Fleisch machen lassen… Dann könnte ich anrichten und vorne wenigstens ein Auge drauf haben, was der Rest der Truppe so treibt…
Nicht, dass ich drauf stehe, im Gegenteil, ich hasse anrichten. Was allerdings nicht heißt, dass das Ergebnis genauso beschissen aussieht wie diese kümmerlichen Rinderfilets. Ich bin da Perfektionist. Und hinter vorgehaltener Hand hält dieser ganze Laden hier mich für verdammt verbissen. Manche finden, dass ich ein Arschloch bin. Aber der Erfolg gibt mir Recht. Schließlich ist es immer noch mein Stern, der ihnen ihren Job sichert. Außerdem hat ein bisschen Ehrgeiz noch niemandem geschadet… schon gar nicht in der Küche.
»Was?«
Elena, oder wie auch immer die Kleine aus dem Service heißt, steht vor uns und streckt Claas in Erwartung der Teller ihre Handflächen hin.
»Das kann so nicht raus«, blaffe ich sie an. »Und reiß Pierre gefälligst den Arsch auf!« Das gilt wieder Alex, der immer noch dämlich neben mir steht.
»Noch mal?«, fragt er betreten.
Einen Augenblick lang denke ich darüber nach, wann ich das letzte Mal angeordnet habe, meinem Azubi den Arsch aufzureißen, bis ich realisiere, dass Alex sich wohl eher auf ein erneutes Anrichten bezieht. Dabei erübrigt sich diese Frage eigentlich… jedenfalls, wenn man nicht blind ist.
»Natürlich. Und nimm mir bloß diesen Scheiß da runter. Ach was, lass dir zwei neue Teller geben, ich mach's selbst und dann raus damit. Aber wisch mir den Rand noch mal nach. Und ein bisschen Tempo, zack, zack! Das sollte schon vor fünf Minuten raus! Pierre?«
Niemand rührt sich. Typisch.
»Pierre?!«, brülle ich so laut, dass es die Gäste draußen vermutlich noch hören.
»Chef?« Schüchtern tritt mein Azubi des Grauens an den Pass.
»Was ist das?« Wenn er jetzt auch noch dumm ‚Rinderfilets' stammelt, vergesse ich mich.
Und dieser Kerl ist Franzose. »Was, bitteschön, ist so schwierig an ‚comme il faut‘ ?«
Ohne seine Antwort abzuwarten, eile ich zurück an meinen Herd und nehme Stefan die Eisenpfanne aus der Hand, in der er das Perlhuhn geschwenkt hat. Ein bisschen zu wenig, es ist zu dunkel.
Auch das macht normalerweise Patrick, denn wie in den meisten Küchen ist mein Souschef gleichzeitig auch mein Saucier und damit für Fleisch und Soßen zuständig. Ohne ihn klarzukommen, wird ein verdammter Albtraum, grade weil hier jeden Tag wieder einer von den Kritikern auftauchen kann. Letzte Woche waren sie drüben im Fährhaus, jedenfalls, was man so hört. Und ausgerechnet jetzt stehe ich ohne Souschef da und versuche, meinen Stern zu halten. Schöne Scheiße.
»Hab' doch gesagt, lass es nicht so lange auf Temperatur. Das ist Perlhuhn, das wird trocken«, schnauze ich ihn an, greife nach den Löffeln, die neben dem Herd liegen, nehme die beiden Keulen, arrangiere sie auf
Weitere Kostenlose Bücher