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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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ich mexikanisch? Na, hören Sie mal, junge Frau! "Klar, mag ich mexikanisch. Liebend gern. Was hatten Sie denn so gedacht?"
    Sie erzählte mir, was sie denn so gedacht habe. Wir unterhielten uns sicher eine halbe Stunde, was ich erst merkte, als das rote Neon unter meinem Zimmerfenster nicht mehr blinkte. Die beiden Gäste hatten vermutlich die Bude verlassen, der Manager war wohl ins Bett marschiert und mir war peinlich, dass wir kein Ende fanden. Wie die Primaner. Sie lachte.
    “Ende finden ist eine Erwachsenenübung, und wer will nach Mitternacht schon erwachsen sein?”
    Sie hatte recht. Wir blieben noch eine Stunde am Telefon. Ich hätte mir zwischendurch gern einen runtergeholt, aber ich traute mich nicht.

 
     
     
    07 Verliebt
     
     
    Wenn das so weiterging, würde ich arm, aber glücklich meine restlichen Tage im Delta verbringen. Der Ärger, um den seit Tagen mein ganzes Denken kreiste, hatte sich verzogen. Es schien nebensächlich, dass mir jemand an den Kragen wollte. Ich benahm mich wie ein glücksbesoffener Urlauber, wie ein Pubertierender, der sich in den Klauen der ersten großen Liebe wiederfindet.
    Verdrängung ist doch etwas Herrliches.
    Marisol wohnte für hiesige Verhältnisse richtig nett. Ein paar hundert Meter hinterm Dorf, in einem hübschen kleinen Holzhäuschen mitten in einer Obstplantage. Hatte sie von ihren Eltern geerbt, erzählte sie, das Haus für sich behalten und die Plantage verpachtet. Clever. Und sie hatte gezeigt, dass sie eine großartige Köchin war.
    Seit Los Santos hatte ich nicht mehr so feudal mexikanisch gegessen. Seit ich auf die Schnelle wegmusste aus meinem Dorf, von meinem abgebrannten Hotel, aus meinem kakteenumgebenen Haus, in dem ich so gern gewohnt hatte. Genau genommen, seit meine Gattin überraschend ihre Koffer packte und auf Nimmerwiedersehen verschwand. Mit einem Herrn, munkelte das Dorf, bei dem Vorsicht geboten war. Mit einem jungen Herrn, der angeblich für das Kartell arbeitete.
     
    Das alles hatte ich Marisol erzählt. Als die guten Sachen auf den Tisch kamen, als ich mit dem Auftragen half, als wir drei Stunden lang zu Abend aßen, immer wieder eine Kleinigkeit, immer wieder etwas Süßes zwischendurch, gefolgt von etwas Scharfem, dazu viel guter Wein und hinterher Schokoladenschnaps und Tequila zum bärenstarken Kaffee. Da war alles nach und nach herausgekommen, da habe ich erzählt, was mir so in den letzten Monaten wiederfahren war, und sie hatte zugehört. Nicht viel gesagt, sondern nur hin und wieder genickt, mit der Zunge geschnalzt, Mitleidsgeräusche von sich gegeben und mich reden lassen.
     
    Anschließend sind wir ins Bett. Sie hatte zwar starke Bedenken - gut katholisch, ledig, dafür war die Ehe des Beischläfers in spe kirchlich abgesegnet - aber die Natur nahm ihren Lauf, wie man so schön sagt, und ich hatte endlich mal wieder die richtige Ablenkung von meinen Sorgen. Auch Marisol schien sich trotz infrage gestellten Seelenheils bombig zu amüsieren. Wenn man Spaß hat, will man bekanntlich gar nicht aufhören. Dass immer einer den Spielverderber machen muss, ist nun mal der Lauf der Welt. In diesem Fall war es mein kleiner Herr, der sich köpfchenschüttelnd weigerte, noch mal mitzuspielen.
     
    Bibliothekarinnen arbeiten Schicht, wie Bandarbeiter. Sie musste selbst an diesem Sommersonnabend zur Arbeit, also frühstückte ich kurz mit ihr und haute mich danach wieder in die Falle. Um halb zwölf erwachte ich frisch und unternehmungslustig, wenn auch völlig verschwitzt, weil die Sonne herunterstach und das kaum isolierte Holzhäuschen keine Klimaanlage aufwies. Hatte ich am Abend noch einen sagenhaften Durst gelöscht, so dachte ich jetzt mit keiner Faser meines Säuferhirns an Alkohol. Prima. Weil ich ein unglücklicher Säufer war, weil ich mich vor mir selbst schämte, dass ich wieder in verhasste Verhaltensweisen gerutscht war, dass ich nicht die Willenskraft hatte, einfach mit dem Schlucken Schluss zu machen.
    Scheinbar saufe ich nur, wenn ich Ärger oder Angst habe. Interessanter Gedanke.
     
    "Ignacio?"
    "Mein Freund?"
    Er wusste, wer dran war.
    "Ich wollte mich nur mal melden. Nichts Besonderes. Nur Hallo sagen."
    "Freut mich. Aber ich habe was. Rufe doch in zwei, drei Stunden mal bei unserem dicken Freund an."
    Wird gemacht. Bei Gonzales. Um drei.
     
    Er war gerade in King City angekommen als ich wieder anrief. Hörte sich etwas außer Atem an.
    "Kein Wunder, wenn man solche Strecken fahren muss, nur um sicherzugehen,

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