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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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hauptsächlich für die Solanos. Die haben ihn jetzt zum Oberaufseher der kalifornischen Anbau- und Fabrikationsgeschäfte ihrer Tijuana-Mafia gemacht. Weil er einen Einflussreichen kennt, der angeblich den Solanos Schutz verkauft.“
    Und mit so einem haut die Julie ab?
    „Er ist noch ziemlich jung, so um die achtundzwanzig, dreißig,“ erklärte Winston, „heißt in Gangsterkreisen El Guapo, der Schöne, und verdient ein Heidengeld.“
    Klar.
    „Und, glaube mir, was ich tun kann, um den Perez endgültig loszuwerden, mache ich. Denn der ist pures Gift. Mit der Konkurrenz komme ich immer klar, aber mit dem Kerl kann man nicht verhandeln. Mein Gewährsmann weiß nicht, wer der Bestochene ist, aber Perez fühlt sich hier völlig sicher. Außerdem ist er ein eingefleischter Killer, der lieber schießt, als auch nur das geringste Risiko einzugehen.“
    „Winston, ich weiß überhaupt nicht, was ich machen soll – oder was ich eigentlich will. Ich will wissen, wo sie ist, klar, und warum sie uns verlassen hat,“ denn einen Sohn hat sie schließlich auch, um den sie sich bis jetzt nicht die Bohne gekümmert hat. „Aber mit Gewalt zurückholen? Ich weiß nicht.“
    „Natürlich nicht, Junge. Aber ein Schlussstrich sollte gezogen werden. Du willst ja nicht, dass sie jederzeit auftauchen kann und den Kleinen abholt. Oder Schlimmeres.“
    Ignacio nickte dazu. „Ohne Schlussstrich gibts keine Ruhe", meinte er. „Du weißt, dass du dich auf uns verlassen kannst.“
    Wusste ich. Logisch, wozu hat man Freunde. Aber noch war ich nicht bereit, ernsthaft über Julie und mich nachzudenken. Rings um mich war Scheiße, und ich steckte bis zum Hals drin. Seit Wochen hatte ich das nur mühsam unterdrückte Bedürfnis, mich dauernd umzudrehen. Zu sehen, wer mir folgt. Hochgradige Paranoia. Ich musste dringend ausspannen.
     
    Laetitia lehnte am Tresen und lächelte freundlich zu mir rüber. Ich lächelte zurück. Marisol fehlte mir.
     

 
     
     
    15 Doktor Jeff
     
     
    Unser Brunch war riesig. Steak, Kartoffeln, Eier, Pfannkuchen, Toast, Butter, Marmelade, Sirup. Der kräftig gebaute Winston haute zwar rein, als habe er seit seiner Holzfällerzeit in den Rockies nichts mehr zu Essen bekommen, schlaffte aber gegen Ende des gewaltigen Mahles genauso ab wie Ignacio und ich.
     
    Ich war ausgelaugt. Da half auch nicht, dass Winstons hübsche Tochter mehrmals meine Schulter streifte. Mit ihrem saftigen, straffen Busen. Wie zufällig. Die Hektik machte mich fertig, das ständige Auf-der-Hut-sein, die Ungewissheit und Angst, die mich seit meinem letzten Tag in Baja nie verließen. Alles kam auf einmal auf mich zu, und ich wollte eigentlich gar nicht mehr. Nur noch irgendwo hin, irgendwo in die Stille und mich verkriechen.
     
    Winston hatte die Gabel auf den Tellerrand gelegt, sich zurückgelehnt und zufrieden gegrunzt. Dann sah er mich etwas erstaunt an und fragte, ob seine Tochter mir derart zusetzte, dass ich ins Zittern geriet. Ich folgte seinem Blick und schaute auf meine rechte Hand. Die zitterte wie verrückt. Mit der Linken hielt ich sie fest, damit das Zittern aufhört.
    „Hab´ ein paar miese Tage hinter mir.“
    „Kein Grund, die Nerven zu verlieren", schätzte er. „Passiert jedem mal, so eine Strähne. Bleib heute Vormittag hier – Ignacio und ich müssen uns ohne dich unterhalten. Am Nachmittag fliegen wir vielleicht kurz an die Küste.“
     
    Ich las also Zeitung, hörte mit einem Ohr auf den ständig hocherregten Faschisten, der im Talk-Radio seine Getreuen anbrüllte und alles auf Obama schob, und versuchte, mich auf Einfaches zu konzentrieren. Wie ich die nächsten paar Monate überleben würde. Wie ich wieder zu meinem Geld komme. Was ich mit dem Trawler anfangen sollte, der inzwischen bei den Cops im Hafen lag. Oder wie es mit Marisol in Locke weitergehen würde. Lauter Zeug, das einen beschäftigt, wenn die Mauer unüberwindbar scheint.
     
    Eine halbe Stunde wohl spazierte ich im Sonnenschein über den Flughafen. Aus den vielen kleinen Werkstätten entlang der Landebahn drangen die Geräusche arbeitender Menschen. Hämmern, hier und dort eine grelle Säge, Fluchen und Pfeifen ließen wissen, dass dieser Flughafen am Arsch der bewohnbaren Welt nicht nur Abstellplatz war. Vermutlich Drogenumschlagplatz, wenn ich Winstons intime Kenntnis des Geländes richtig auslegte. Der Wüstenwind trug die Gerüche der nahen Stadt herüber; ranziges Bratöl, Staub und Hitze, zu viele vernachlässigte Autos mit

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