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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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schlampiger Verbrennung, zu viele Diesel-Lastwagen aus allen Bundesstaaten der USA, die ihren Dreck in unsere strapazierte Landschaft spien. Ich bekam Kopfweh vom Gemisch, also kehrte ich zurück zur Kneipe.
     
    „Schon wieder da?", wollte sie nett wissen. Die Kleine war wirklich extrem süß. Ich lächelte sie an und murmelte etwas von zu heiß. Sie schaute mich mit ihren riesigen, dunklen Augen besorgt an. „Die Mittagssonne ist nicht gerade gesund für alte Leute. Ich würde an Ihrer Stelle schön hier bleiben. Geht nichts über Airconditioning.“
    Wie bitte? So eine Ziege. Alt? Ich war knapp vierzig, vielleicht ein, zwei Jährchen drüber, aber in Topform. Alt. Dämliches Kind.
     
    Winston und Ignacio kamen kurz nach Mittag wieder, beide nicht gerade in bombiger Stimmung. Der Franziskaner sah aus, als hätte ihn etwas ekliges gebissen, und sein Freund machte einen bösen Mund. Sie taten beide, als sei nichts, aber ich fühlte mich wie damals, als sich meine Eltern jahrelang hinter geschlossenen Türen zankten und bei Tisch eitel Sonnenschein spielten. Verarscht. Das war´s. So kam ich mir vor.
    „Wir haben gedacht, dass wir mal nach Ventura runterfliegen“.
    „Wir drei?“
    „Klar, wir drei. Wenn du mitwillst,“ bestätigte Winston, wozu Ignacio etwas unwillig nickte, wir mir schien. Also gut, warum nicht? Bin schon lange nicht mehr geflogen.
     
    Die beiden Habichte durften nicht fehlen. Einer stellte sich als Pilot heraus, der andere lümmelte im Frachtraum während wir über die Wüste flogen, immer Haken schlagend, weil die halbe Mojave vom Militär genutzt wird. Air Force, Marines, Army. “Fehlt nur noch die Navy,” kalauerte ich, “aber für deren Schiffe wird die Wüste kaum tief genug sein”.
    „Die sind hinter uns, in Ridgecrest. China Lake Naval Weapons Center – und logisch, dass China Lake nur aus Sand und Salz besteht“. Klar, Winston hatte recht – China Lake hatte ich vergessen. Direkt am Highway ins Death Valley. Scheißkrieger. Greifen sich immer die beste Landschaft.
     
    Wir überflogen den Windpark vor Tehachapi mit seinen tausend Propellern, stiegen auf vier Kilometer Flughöhe, überquerten die Tehachapi mountains und glitten allmählich zum Meer hinab, das weit voraus im Westen glitzerte. Unter uns reiften Erdbeeren und Trauben, zogen sich Zitrushaine und Avocadoplantagen kilometerweit hin, Neubaugebiete, die sich noch immer zum Einzugsgebiet Los Angeles´zählten, entstanden zu beiden Seiten der breiten, schnurgeraden Freeways, und im blauen Pazifik lagen Inseln, die kaum besucht werden. Weil es auf ihnen außer Natur nichts zu sehen und nichts zu tun gibt.
    Der Stumme überflog die Küste, zog einen langen Bogen und landete in Oxnard. Ich konnte mir ansprechendere Gegenden vorstellen.
    „Ich treffe mich mit einem Geschäftsfreund, und ich dachte, es sei gut, wenn du dabei bist. Denn es geht auch um deine Frau,“ sagte Winston, und bat, ihn mit Fragen zu verschonen. „Wirst schon sehen.“. Behandelt mich wie ein Kind.
     
    Der Pilot besorgte einen Leihwagen, zehn Minuten später waren wir in Silver Strand. Schicke Villen, dahinter Schiffe am hauseigenen Kai vertäut, italienisch-Auffälliges, deutsch-Bestirntes und britisch-Solides in den langen Einfahrten. Doktor Jefferson Monroe Adams hieß nicht nur wie drei der ersten amerikanischen Präsidenten, er sah auch so aus. Soigniert ist der Ausdruck, der vornehm um einiges übertrifft. Wie ein Paterfamilias aus der Hollywoodproduktion stand er auf der Veranda, die sein riesiges Haus umgab. Weiße Mähne über tief gebräuntem Pferdegesicht, schlank, Samtjackett, eine Hand in der Tasche, eine hielt die Tabakspfeife, der Blick abschätzig, die Haltung tadellos kolonial. Er nahm die Pfeife aus dem Mund, lächelte freundlich und rief „Na, du alter Wichser?“
    Winston hob seine rechte Hand und zeigte ihm den kalifornischen fuck-you-Finger. Ich war schwer enttäuscht.
     
    Der Doktor wurde als Kinderarzt vorgestellt. Ignacio murmelte etwas, das sich nicht nach „erfreut“ anhörte, ich war starr vor Ehrfurcht, Winston zählte den Mediziner schon seit Jahren zum Freundeskreis, wenn man der Wiedersehensfreude glauben durfte. Der Soignierte entpuppte sich als Liebhaber des kalifornischen Rockjargons – seine geschliffenen Sätze strotzten vor fuck, shit, sons of bitches, bekamen durch cojones, cabron und caca die einheimisch-spanglische Würze und wurden durch entsprechende Handbewegungen betont. Ignacio wurde immer

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