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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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denkbaren Motiven, mich auszunehmen und mein Hotel abzufackeln, und die beiden Listen zu vergleichen, aber das war dem Winston zu umständlich.
    „Quatsch, Mann. Follow the money. Wird sich schon rausstellen, wer ihm ans Eingemachte wollte, wenn wir uns darüber klar werden, wo die Kohle geblieben ist.”
    „Stimmt schon,“ gab der ex-Cop zu, „aber erstmal müssen wir wissen, wie sie ihn ausgenommen und gleichzeitig die Bude angezündet haben. Denn dass da einige miteinander ran mussten, ergibt sich aus dem zeitlichen Ablauf. Und damit haben wir es mit einer Bande zu tun.“
    „Na und?“
    „Na, und wenn wir gegen mehrere Täter ermitteln, müssen wir methodischer vorgehen, als du es vielleicht von deinen Bananenbiegern kennst“. Stocksauer war er, der Ignacio. Aber gleich Bananenbieger?
    „Bananenbieger?“ sprang er auf. „Nigger, womöglich, du bleiches Arschloch? Versteckst dich hinter deiner Kutte und deinem Kreuz und kommst mir mit solchen Sprüchen?“ Er hatte sich über Ignacio gebeugt und zischte ihn an. Ignacio griff blitzartig den bezopften Kopf seines Freundes, zog ihn mit einem Ruck zu sich und pflanzte einen schmatzenden Kuss auf die recht ausgeprägte Nase des Mannes. Der machte große Augen, während Ignacio kicherte. Ich konnte auch nicht anders – die Spannung, die momentan zum Schneiden war, verflog in brüllendem Gelächter. Winston wieherte am lautesten, nachdem er sich von beiden Überraschungen erholt hatte.
     
    Lange nach Mitternacht kamen wir ins Hotel zurück. Winston wollte unbedingt noch ein Steak essen („ich habe seit Kingston nichts mehr gegessen“, eine etwas unglaubhafte Behauptung, die Ignacio mit lateinischem Gemurmel und einer Bekreuzigung entschärfte) und es dauerte, bis wir ein Restaurant ausfindig machten, das zu später Stunde noch feste Nahrung verkaufte.
    In der menschenarmen Wüste sind Restaurants ohne komplett angelieferte tiefgefrorene Gerichte sowieso spärlich gesät, und kaum eine Küche bleibt noch nach Anbruch der Sommernacht offen. Wir landeten in einer stockfinsteren Bar in der Wildnis, deren Leuchtschild neckisch „Food Till Too“ versprach. Bis zur offiziellen, falsch geschriebenen Sperrstunde, also, und der fette, schmierige Barfritze fand Winstons Wunsch nicht weiter verwunderlich. „Blutig?", wollte er wissen und wartete nichtmal Winstons bejahendes Nicken ab, ehe er die Bestellung in die offene Küche brüllte. Ein lautes „Goddammit“ und viel Geklapper später hatte er sein Steak – außen schwarz, innen roh. „Wie ich“ grinste der Rasta.
     
    Die Spätnachrichten des Barstower Senders waren auf die „Ermordete Prostituierte von der Geisterranch“ fixiert, streng nach der Medienmaxime if it bleeds, it leads. Solche Aufmacher übertreiben meist furchtbar, aber diese Story war wirklich der Schocker für das Wüstenkaff. Der Fette hinterm Tresen stellte höchste Lautstärke ein, die Säufer reckten die Hälse, aus der Küche kam eine ausgemergelte Methamphetaminqueen angetrabt, rieb die Hände am Rock und glotzte unverwandt in Richtung Fernseher, und schon das erste, am Nachmittag aufgenommene Bild versprach einen spätabendlichen Genuss. Sie zeigten den Kopf der Blonden in Großaufnahme, zoomten auf die Quelle des vielen Blutes, und gingen dann zum Weitwinkel, damit kein Zuschauer die entsetzliche Qual der jungen Frau verpasste. Die Beine übereinanderliegend, die Bluse aufgerissen, die entblößte Brustwarze kindersicher pixeliert, darunter nur Blut. Die armselige Hütte gab den „leider typischen“ Rahmen für solch ein Ende ab, meinte der Sprecher. Mit gefalteten Händen saß er da, schaute mit Moralistenblick in die Kamera, und spekulierte, dass die „stadtbekannte Prostituierte von der Geisterranch am Stadtrand“ wohl ein Opfer ihres schamlosen Berufes sei – das jüngste Opfer einer seit Jahren anhaltenden, ungeklärten Mordserie, die einige ihrer überlebenden Kolleginnen aus der Gegend vertrieben habe. Was ihm ganz recht schien. Die Säufer waren still, die Köchin ging nach der bluttriefenden Nachricht wieder in ihre Küche, der Dicke rubbelte weiterhin im gleichen Bierglas, und Winston war der Appetit vergangen. „Warum denn nur Geisterranch?", wollte ich wissen, bekam aber keine Antwort. Wir bestellten jeder noch ein Bier und verließen gegen halb zwölf die Pinte.
    Winston schlug vor, uns am nächsten Tag in Mojave zu treffen. Wir sollten Nägel mit Köpfen machen, meinte er, und er würde gern in der Nähe seines

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