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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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entschieden, glaube ich.” Die Traurigkeit war unüberhörbar. Ich legte meinen Arm um ihn. Der Kontakt tat uns beiden gut.
     
    Ich fuhr am Donnerstagnachmittag wieder nach Cuyama, trotz Ignacios Warnungen. Ich glaubte einfach nicht, dass ich dort mehr gefährdet sei als im Kloster. Vom Haus aus konnte ich telefonieren, wenn es sein musste, oder ich konnte in Rodriguez´ Laden den Apparat benutzen. Mein neues Telefon hatte eine eingebaute Kamera und einen angeblich frischen, vollbezahlten Dreimonatschip, mit dem ich auch meine Internetverbindung für den Laptop herstellen konnte, und wenn ich noch etwas einkaufen würde, könnte ich eine ganze Weile in der Prärie untertauchen. Außerdem war´s dort ruhig und umsonst, zwei Eigenschaften, die selten anzutreffen sind.
     
    Ich setzte mich wieder in den Garten als es dunkelte, knipste den gelben Mückenverscheucher an und arbeitete an meinen Notizen. Was Misty und Rick über Winston zu erzählen hatten, interessierte mich natürlich brennend, trotz meines Widerspruchs. Am meisten hatte mich Ignacios Mitteilung geschockt – wenn der tote Killer Winstons Telefonnummer auf seinem Handy hatte, konnte das nur zwei Ursachen haben; entweder arbeitete er insgeheim für Winston oder offiziell. Beide Fälle waren für mich nicht gut. Wenn mir einer von Winstons „Geschäftsfreunden“ oder gar Angestellten nach dem Leben trachtet, dann musste ich mich vor Winston verdammt in acht nehmen.
    Es kam alles auf unser Geld zurück. Der, der mich bestohlen hatte, ist der, vor dem ich am meisten auf der Hut sein musste. Das Bestohlenwerden war meine einzige Verbindung zu dieser ganzen unzivilisierten Misere, und offenbar reichte es noch nicht. Sonst würden sie mich in Ruhe lassen. Dass der eine oder andere noch ganz private Rachepläne verfolgte, konnte möglich sein. Obwohl mir andererseits die lustige Witwe Moreno dankbar sein müsste, dass ich sie mit intaktem Grundbesitz und sicher noch einigermaßen liquide von ihrem Ekelgatten befreite, der sie in absehbarer Zeit zum Teufel gejagt hätte. Im wahrsten Sinne des Wortes. Man konnte also nicht automatisch Rache unterstellen, wo eventuell Dankbarkeit am Platz war.
    Winston, sein Adlatus Doc, VanDeKamp und Perez, Julie, Ignacio. Die beiden geldgierigen Gonzalez, Bobby der Fälscher und sein später Galan Zorbian, Bulle Macmillan und dessen Boss Hartman, keiner war von vornherein auszuschließen. Ich sage ja, Paranoia. Satte Paranoia.
     
    Natürlich fand ich weder am Abend noch am nächsten Tag einen Anhaltspunkt. Ich suchte verzweifelt nach dem Ende des Zwirnsfadens, den ich zurückverfolgen konnte, mit dem ich Eingang fand in die Geschichte. Aber nichts.
    Eines, allerdings, wurde klar; trotz der unglaublichen Informationsvielfalt des World Wide Web hielten sich mächtige, einflussreiche und wohlhabende Organisationen wie die Tijuana-Mafia der Gebrüder Solano bedeckt. Sie ließen keinen Zipfel heraushängen, sie waren weder selbst im Netz vertreten noch trauten sich Kenner, über ihre Geschäftstätigkeit und ihre Allmacht im nordmexikanischen Grenzgebiet zu schreiben. Tausende von Bandenangehörigen, Milliardenumsätze in zwei Ländern, vielfacher Aufstieg in der Gaunerhierarchie, der Hunderte von Leichen produzierte, die beiden geschäftsführenden Solanos galten als Staatsfeinde sowohl in den USA wie in Mexiko, und keine nennenswerte Erwähnung. Selbst die Capos der Organisation blieben unerwähnt, Beweis dafür, dass schnell mit einem Loch im Kopf und fehlender Zunge aufgefunden wird, wer quatscht. Oder schreibt.
     
    Ich fand also nichts zum Festhalten. Umso mehr wunderte mich, dass sich der doch sonst sehr umsichtige Winston eine solche Blöße gab. Rick musste verflucht tief gebohrt haben. Verdammt.
     
    Am Freitagnachmittag, gerade zur heißesten Zeit um fünf, klingelte es auf einmal Sturm. Ich nahm natürlich an, dass es Rodriguez sei, der schnell von seinem Laden hergelaufen war weil er irgendwas vergessen oder irgendwas ausrichten wollte. Also rief ich schon vom Wohnzimmer aus, dass ich ja komme, damit die Bimmelei aufhört.
    Vor der Tür stand ein hochgewachsener, gut aussehender Mann, trug einen todschicken, sicher italienischen Seidenanzug und geflochtene mexikanische Lederhalbschuhe, hatte die Dreadlocks zu einer Art Pferdeschwanz gebunden und streckte mir eine Visitenkarte entgegen. Ich sah das Emblem einer Bundesbehörde, sah allerdings nicht genau von welcher Behörde, denn ich hatte meine Lesebrille auf dem

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