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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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Angeles und die vielen Trabantenstädte stehen. Als wir in Barstow ankamen, flackerten gerade die Neonreklamen an der Hauptstraße aus, ein paar besoffene Soldaten wankten im Mondlicht über verlassenen Bürgersteigen ihren Autos zu, und ein arg verstaubter Streifenwagen rollte geräuschlos an uns vorbei, als wir an der Ampel auf grün warteten. Der Beifahrerbulle drehte mir seine dunkle Sonnenbrille zu, während er sich ein spätes Donut unter die Nase schob. Cops.
     
    Ignacio war mir gefolgt. Die Strecken, die sein alter Käfer aushielt! Ich staunte immer wieder. Warum er sich nicht ein neueres, zuverlässigeres Auto kaufte, hatte ich ihn gefragt. Davon wollte er nichts wissen. Er habe den Käfer schon seit vielen Jahren, sagte er, und er sei doch noch gut. Außerdem kannte er alle Mucken des vorsintflutlichen Autos, und für solch einen Veteranen galten die Abgasbestimmungen nicht, die das Autofahren in Kalifornien zu einer teuren Angelegenheit machen. Was günstig sei, denn er könne selbst an seinem Auto schrauben, brauche keinen Automechaniker mit elektronischen Messgeräten und undurchsichtiger Preisgestaltung, und fahre daher fast umsonst.
    Was ich einsehen musste. War ein guter Grund.
     
    Das Desert Inn Kitchenette Motel (American Owned) hatte das Vacancyschild noch eingeschaltet, also hielt ich und wartete auf Ignacio. Ein freundlicher dunkelhäutiger Herr trat aus dem Motelbüro als wir ausstiegen, stellte sich als Mister Patel vor und wollte im bengalisch gefärbten Englisch wissen, ob wir ein Zimmer suchten. Wir suchten, was Herrn Patel offensichtlich freute. Achtzig Dollar, und das Frühstück bestehe aus Plundergebäck und Kaffee, beides im Büro zu haben. Ich schob ihm die achtzig Dollar über den Tisch und fragte scheinheilig, wie lange Herr Patel denn schon im Motel arbeite. Ihm gehöre es, sagte der Inder. Und das „American Owned“? Seit letztem Winter sei er Staatsbürger, meldete Herr Patel stolz. Wozu ich ihm grinsend und zwinkernd gratulierte. Clever, der Mann. Die paar noch aktiven weißen Motelbesitzer in dieser Gegend hatten vor Jahren den Blödsinn mit dem „In amerikanischem Besitz“ angefangen, um gegen die indischen Einwanderer zu hetzen, die ihre Industrie aufgekauft und durch ihren unermüdlichen Fleiß „die Preise versauten“. Schön, dass ihnen einer mit ihren eigenen Mitteln Kontra gibt.
     
    Dass es Eisenbahnen geben muss, ist mir ja schon lange klar. Dass sie sich alle nachts in Barstow treffen, hatte ich nicht gewusst. Interessant. So eine Art Elefantenfriedhof, nur dass diese Elefanten kilometerlange Waggonschlangen durch Amerika zogen, meist geradeaus. Bis kurz vor Barstow, in beiden Richtungen. Da windet sich das Gleis um Sandsteinformationen und am trockenen Flussufer entlang, und vor, während und nach jeder Windung klirren die Waggonkilometer unablässig. Fünf oder sechs Dieselloks, wegen der Wahnsinnslast hintereinandergeschaltet, bremsen dann gleichzeitig den Zug ab oder geben gleichzeitig Gas. Man stellt sich vor, wie ich schlief. Als ich bei Misty lebte, hatte ich zwar ein stetes entferntes Brummen gehört und mich schnell daran gewöhnt, aber das Gekreische, das Klirren, Schieben und Rütteln hört man wohl nur in der Stadt. Kein Wunder, dass die Menschen hier alle etwas mitgenommen aussahen.
     
    Mister Patel, der nie zu schlafen schien, servierte uns mit freundlicher Miene und im Hemd vom Vorabend ein flottes Frühstuck aus sehr gereiftem Plundergebäck und einem vermutlich indischen Kaffee. Deshalb wohl leben die Menschen im Subkontinent so lange. Weil sie Koffein strikt vermeiden. Ich bin einer von denen, die morgens erst durch gewaltige Mengen starken Kaffees den Tran abschütteln. Dieses Abwaschwasser drohte, mir den ganzen Tag zu versauen. Ich kaufte mir also beim geschäftstüchtigen Amerikaner Patel ein winziges Gläschen Nescafé und kippte den halben Inhalt in den Becher. Es half.
     
    Ignacio ließ den Käfer vorm Zimmer stehen und stieg zu mir in den Jeep. Wir fuhren erstmal ziellos durch die Stadt – ich war schon einige Jahre nicht mehr hier gewesen, und der Priester kam ohnehin selten aus seinem Kloster. Also freuten wir uns an den alten Erinnerungen, die bei unserem Bummel aufkamen. Was bei uns beiden zur gleichen Idee führte. Ich lenkte den Jeep nach Südwesten und hielt zwanzig Minuten später vor Mistys alter Ranch.
     
    Der Zustand des Torbogens ließ Schlimmes ahnen. So gründlich verfallen wie verlassene Bauwerke in der hohen Wüste

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