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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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Hand und stieg in den Jeep. Sie rief uns irgendetwas nach. Ich verstand nichts, und mich interessierte nicht, was sie noch zu rufen hatte.
    „Mein lieber Mann", sagte der Berufskatholik vorwurfsvoll. „Du kennst aber auch die tollsten Leute.“ Ich wollte nicht weiter darauf eingehen.
    „Hast du was gefunden?“
    „Habe ich", sagte er, und zog einen gelben Zettel aus seiner Hemdtasche. „Der Schrift nach von Misty. Weißt du, was sie damit meint?“
    Ich schaute im Fahren auf das Papier. Ein Einkaufszettel, offenbar. Jede Menge Artikel, die eine Stripper-Akademiechefin besorgen musste. Seife und Scheinwerferbirnen, Zwirn, Käse und Heu für die Pferde, eine Auflistung verschiedener Kleidergrößen und die mit schnellen, dicken Strichen eingerahmte Erinnerungshilfe „J! IMPORTANT: Slot SW. Shade LR. LOVE M“
    Seltsam. „Sonst nichts? Kein Päckchen?“
    Ich muss ziemlich bedeppert geschaut haben, denn Ignacio meinte, mehr sei nicht zu finden gewesen.
     
    Barstow lag wie ausgestorben, als wir in die Stadt fuhren. Es war kurz nach Mittag, und die Hitze würde jetzt nur schlimmer bis sie gegen vier, halb fünf kaum noch auszuhalten war. Wir hatten ein paar Stunden Zeit, also schlug ich vor, einen kurzen Mittagsschlaf zu halten, was Ignacios Lebensstil offenbar entsprach. Wir kehrten ins Hotel zurück und hauten uns auf die Betten, Klimaanlage auf volle Pulle und die Vorhänge fein zugezogen.
     
    Kurz vor vier fuhren wir auf den Parkplatz. Das Denny´s war ziemlich leer; ein paar Oldies verputzten ein spätes Mittagsessen oder frühes Dinner, froh über den Rentnerrabatt während dieser lahmen Stunden zwischen den Abfütterungen. Der immerhin den Unterschied zwischen Nachspeise und keiner Nachspeise ausmachte. Die Alten taten mir leid. Arbeiteten ihr Leben lang, um auf dem Barstower Abstellgleis zu landen und sich während der Rabattstunde vollzufuttern. Die Herren mit traurigen Augen unter der baseball cap, schlecht rasiert und vom Gestank der draußen schnell heiß gerauchten Zigarette umgeben, die Damen mit Kunststoffhandtasche, geblümt und kurzärmelig, mit blau getönter Perücke und Schweißperlen auf der Stirn. Scheißleben.
     
    Winston war unverändert, sah aus wie zuletzt in Mexico vor einem Jahr. Imposant, mit langen, ergrauenden Dreadlocks und einem stramm sitzenden Zweireiher über dem gewaltigen Oberkörper. Die beiden Herren, die mit ihm über den Parkplatz gingen, wirkten wie Habichte. Winston sah uns am Fenster sitzen, winkte und strahlte. Ich auch. Ich muss sagen, ich freute mich diebisch, dass er gekommen war. Nach der Qual von vorhin sowieso. Er hatte etwas ungemein Beruhigendes an sich. Die Fixerin verblasste langsam.
     
    Den armen Rentnern klatschte die sorgsam aufgebaute Barstower Weltsicht um die Ohren, als der Furcht einflößende schwarze Mann im dunklen Anzug zwei weiße Gäste auf einmal an sich drückte. Und die weißen Gäste sich das nicht nur gefallen ließen, sondern offensichtlich zurückdrückten. Mit wachsender Begeisterung. Eine Stille überzog den Speisesaal des doch sonst so verlässlich klappernden Denny´s.
    „Mensch, wie freue ich mich, euch zu sehen!“ röhrte Winston im Patois. Seine beiden Begleiter setzten sich an den nächsten Ecktisch. Einer starrte durchs Fenster auf Parkplatz und Straße, der andere behielt Eingangstür, Küchentür und Rentner im Auge. Ich wunderte mich im Stillen ganz kurz, was Winston so trieb. Geschäftlich, meine ich.
    Wir erzählten, manchmal der Reihe nach, manchmal gleichzeitig. Ihm ginge es gut, ja, zuviel zu tun, viel zu viel Arbeit (hier setzte Ignacio sein Copgesicht auf, sein missbilligendes Priestergesicht), aber er sei richtig happy, mal wieder mit uns zusammenzukommen. Ich wollte nicht unbedingt vor allen Ohren meine Probleme besprechen, also erzählte ich Belangloses, während Ignacio vom Klosterleben sprach und uns Zuhörern auffiel, wie glücklich er dort schien.
     
    Die Hamburger verschwanden, ohne dass uns bewusst war, dass wir aßen. Die Kaffeetassen wurden immer wieder gefüllt. Seit einiger Zeit waren wir allein in der Kneipe – die Rentner waren nach und nach davongeschlichen, hatten sich auch nicht mehr lange vorm Restaurant aufgehalten, sondern waren einfach wieder dorthin verschwunden, wo sie ihre Tage in der Hohen Wüste verbringen. Ich sag´s ja – Scheißleben.
    Wir erzählten Winston von unserem Vormittagsbesuch. „Gute Idee", meinte er, und dass er schon lange nicht mehr dort gewesen sei. „Fahren wir

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