Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
Vom Netzwerk:
ebenfalls im Flüsterton. Sie zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ist halt alles vergammelt, weil keiner je herkommt und irgendwas repariert. Irgendeiner kam mal und hat die Trailer abgeholt,“ erzählte sie. „Aber da waren die Mädchen alle schon weg. Nur noch Cecilia und ich waren da. Und dann ist Ceci eines Tages auch nicht mehr heimgekommen, und ich wusste nicht, wohin. Da bin ich geblieben.“
    „Und wovon lebst du?", fragte Ignacio. Sie schaute ihn an. Antwortete nicht, sondern sah zu mir hin.
    „Bruder Ignacio ist ein alter Freund Mistys", erklärte ich. Sie war damals eine von Mistys Favoritinnen. Auch ein Grund, warum ich mich nicht an sie rangemacht hatte.
    Als sie Mistys Namen hörte, lächelte sie wieder dieses nostalgische Zahnlückenlächeln. „Die hat mich auch besucht", meldete sie erfreut.
    „Wann?“ Sie schreckte zurück. Ignacios Kopf war vorgeschnellt, die Frage kam etwas scharf. Ich tätschelte beruhigend ihre Hand.
    „Weiß ich doch nicht", greinte sie.
    „Versuche, dich zu erinnern, Honeybunch", flötete ich. „War jemand mit ihr da? Ein Mann?“
    „Ein Mann, ja. Ein netter Mann. Schlank und hübsch, nicht so ein fettes Schwein wie der Kerl, der sonst immer kommt.“ Sie hatte meine Hand genommen und hielt sich nun daran fest. Ich sag´s ja ungern, aber ich ekelte mich vor ihr. Sie hatte klamme Finger und ihre Haut schimmerte in diesem Halbdunkel grau. Meine Fresse!
    „War das vor ein paar Tagen? Oder ist es schon eine Woche her?“ wollte der Priester im Berufston von ihr wissen. Sie überlegte eine Weile und meinte dann, es sei länger her.
    „Hat sie was hiergelassen?“
    Da strahlte sie. „Ja, ich glaube, ja. Sie hat irgendwas aus dem Auto geholt und ist damit in den Stall gegangen. Ich weiß nicht, was es war, weil der Hübsche mit mir zur Koppel rüber ist, und da konnte ich nicht genau sehen, was sie hatte.“
    Na also war doch schon mal was. „Schau du nach", schlug ich Ignacio vor. Er stand auf und ging hinaus.
    Die Eagles waren bei Life in the Fast Lane angelangt. Ich fragte sie, warum sie noch hier sei, aber sie wusste nichts darauf zu antworten. Nur ein Schulterzucken und einen fernen Blick.
    „Willst du ficken?“ interessierte sie sich.
    Ich bedauerte.
    "Bin leider im Moment ziemlich pleite, weißt du?", erklärte sie. Die Einstiche in ihrer Armbeuge ließen ahnen, dass die Pleite ein Dauerzustand war. Daher auch die Pupillenverengung, die Miosis. Hartes Zeug schoss sie, die Kleine.
    Ich fummelte in der Hosentasche herum, bis ich einen Schein herausziehen konnte, ohne das Päckchen zeigen zu müssen. Es war ein Zwanziger. Ich gab ihn ihr. Sie lächelte dankbar und schob ihn in die Tischschublade.
     
    Sie erzählte Belangloses, bis Ignacio zurückkam. Ganz bei der Sache war sie nicht – dauernd horchte sie, schaute gelegentlich verstohlen zum Seitenfenster ihrer Alu-Büchse hinaus, und schien mit allen Fasern ihres Körpers auf etwas zu hören. Mir war die Frau unheimlich. Traurig war ich, tieftraurig. Höchstens Mitte Zwanzig, und schon so versaut.
    Ich hatte einen Hass auf alles, was mit Drogen dealte. Ich konnte dieses Pack nicht mehr ausstehen. Klar hatte ich meine Drogenkarriere im College, aber inzwischen war ich lange Jahre sauber und hatte dazugelernt. Merchants of Death hieß die Überschrift eines Zeitschriftenberichtes über die kalifornische Drogenszene, den ich am Strand in Mexico las, und die Beschreibung hatte ich nie vergessen. Händler des Todes.
    Sie verhökern wirklich den Tod, die Schweine, die sich mit Drogen bereichern. Schneller Tod kann ein Segen sein, so ein Goldener Schuss kann die Misere radikal beenden, aber ein Dahinsiechen wie bei dieser Frau, von der ich nur den Spitznamen kannte, das war ein menschenunwürdiges Dasein. Ich war wieder mal voller Selbstgerechtigkeit.
     
    Durchs einzige nicht verhängte Fenster sah ich Ignacio vom lang gestreckten ehemaligen Stallgebäude herüberkommen. Ich stand auf, um ihm den Wiedereintritt in diese Höhle zu ersparen, und Honeybunch stand automatisch mit auf. Sie hatte wieder den ängstlichen Gesichtsausdruck, der mir gleich aufgefallen war, als wir sie zuerst sahen. Gehetzt, eher. Ich ließ ihr den Vortritt, aber sie schüttelte nur den Kopf.
    Die Eagles waren zum Ende ihres Albums gekommen. Wir schienen hier auch fertig zu sein. Endgültig hoffte ich.
     
    Ignacio hatte es eilig. Er sah mich aus dem Wohnei treten und ging schnurstracks zum Auto. Ich schüttelte der traurigen Blonden die

Weitere Kostenlose Bücher