Aasgeier
doch am Sonntag der Unabhängigkeitstag, der Vierte Juli sein würde, und am Fünften haben alle Amerikaner frei. Selbst Cops und Anwälte.
Wir waren uns also einig, dass wir uns um neun am Dienstag wieder treffen. Dann reichte Green jedem eine etwas klamme Hand und nannte mich – ein Surfer zum anderen - zum Abschied „Bro“. Ich konterte mit einem lang gestreckten „Dude“.
„Und – wohin?“ Bobby wusste nicht, was Zorbian wollte. Ins Hotel? Zu Freunden? Zurück ins Big Sur? Zorbian sagte nichts. Der schien sauer.
„Bobby, ich habe da noch ein kleines Ausweisproblem, wie du dir denken kannst.“ Wollte ja nicht gern auf den Wecker fallen, aber schließlich war ich wegen der Papiere überhaupt hier. „Klar“, wusste Bobby auch, „aber momentan kann ich nicht viel unternehmen. Hast du nicht noch die alten Dinger von mir?“
Hatte ich, ja. Abgelaufen, allerdings. Im Auto.
„Dann ists ja gut. Wir holen sie. Die Arbeit mache ich nachts im Zimmer, frei aus der Hand, wird alles echt aussehen“, prahlte er.
Wir holten meine Sachen in Cornwall und fuhren über Paso Robles auf meine alte Strecke nach Parkfield. Hinter San Miguel hielten wir an einem der vielen kleinen Weinbetriebe. Sie hatten nur wenige Fremdenzimmer, hatten sich auf einen ruhigen Feiertag gefreut und gaben uns dann doch die Zimmer, weil Bobby und Zorbian so nett, alt und harmlos wirkten.
Als die Sonne unterging, spazierten wir drei durch die Weinfelder, seit Stunden im Gespräch vertieft. Bobby hatte eine Bestandsaufnahme vorgeschlagen als wir in Paso Tinten, Federn und seltsam aussehende Kleinwerkzeuge einkauften. Auf dem Rückweg zur Pension stellten wir das Auto am Rande der Einfahrt ab und schlenderten auf die Felder hinaus.
Die Sonne brannte mir aufs Kreuz, und trotzdem ich die letzten paar Jahre mehr draußen als drinnen war schienen die beiden Altväter abgehärteter als ich. War interessant, was sie zu erzählen hatten. Offenbar war der Weltberühmte Künstler Zorbian auch ein Freund des kalifornischen Sinsemilla. Ein solcher Anhänger des Krautes, dass er eine Mannschaft beschäftigte, die seine Felder im Gebirge hinter Cornwall bestellte. Seit einiger Zeit schon, wie er leicht verschämt zugab.
„Die arbeiten schon ewig für mich, manche in der zweiten Generation. Ich zahle ein festes Jahresgehalt, lasse mich nicht lumpen, und es hat sich als allseits zufriedenstellend erwiesen. Ich hatte noch nie Ärger, habe vermutlich die gepflegtesten Pflanzen in diesem Teil Kaliforniens und bediene meine Kundschaft reell und völlig verschwiegen. Also kann ich mir kaum vorstellen, dass die Cops wegen mir da waren.“
Ich hatte den Hut ziehen müssen vor derartiger Chuzpe. Frechheit siegt, Freunde. Aber der meinte es ernst. Bobby merkte, dass ich zweifelte.
„Kannst ihm ruhig glauben. Ich habe es zuerst auch nicht wahrhaben wollen, aber er hat´s mir bewiesen. Sein Geschäft läuft wie eine eingefahrene Aktiengesellschaft. Übersichtlich, mit Geschäftsplan, mit einer funktionierenden Personalabteilung und einem rundum abgesicherten Herstellungs- und Vertriebsablauf. Die Farmarbeiter sind verschwiegen – Zorbian bürgt nach dreijähriger Betriebsangehörigkeit für jeden, der ein Haus kaufen will. Die sind also alle Hausbesitzer mit langjähriger Hypothek, die unser Freund hält. Sie sind froh, wenn sie nicht gestört werden. Denen geht´s ausgezeichnet, und sie wissen das zu schätzen. Der Nachwuchs wird aus ihrer Verwandtschaft geholt, sie stammen alle aus dem gleichen mexikanischen Bergdorf. Seine Verteilerorganisation ist am Geschäft prozentual beteiligt. Deshalb gibt´s auch keine Banden, keine Kleinkriminellen, keine Junkies, die den Verkauf an sich reißen und sich dann bekämpfen. Das läuft seit fünfzig Jahren völlig verschwiegen. Nur die Bullen dort oben, wo er seine Ranch hat, die kassieren mit. Aber das ist ja normal.“
Hm.
„Also waren sie doch wegen mir da.“
„Nicht unbedingt", meinte der Drogenkönig. „Kann sein, dass sie von Bobby was wollen. Dass nun einer bei mir zu Hause abkratzt, ist eine ungewöhnliche Situation. Das kann ich noch nicht so genau abschätzen. Da muss sich der Anwalt übers Wochenende Gedanken machen.“
Hat also der alte Bursche sein Leben lang nicht nur gedealt, sondern in großem Stil angepflanzt und verteilt. Und ich dachte immer, ich sei die große Ausnahme. Der Sohn aus gutem Hause, der im College seine Kollegen versorgt, der zwar nie deshalb zur Rechenschaft gezogen
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