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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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entfuhr ihm ein erschrockenes „Shit!“ Ich musste ganz schnell wegschauen.
     
    Wir sagten der Mutter, dass wir zum Abendessen wieder zu Hause sein würden. Dann fuhren Ricky und ich nach Santa Barbara. In den Zoo. Und verbrachten einen herrlichen Tag dort, im weitläufigen ehemaligen Villengelände am Meer. Mit Affen, Giraffen und Elefanten. Wir freuten uns aneinander, wenn ich ihn hochhob, um ein Tier richtig beäugen zu können, und wir hatten unsere Freude aneinander, wenn ich ihm wieder ein Eis kaufte, weil das andere schon seit einer halben Stunde gegessen war. Um drei kotzte er, um halb vier waren wir frisch gewaschen auf dem Freeway nach Pismo.
     
    Ich hatte das Verdeck zurückgeschlagen, weil die Sonne so mächtig herunterstach, dass es eine Schande gewesen wäre, sie nicht ein wenig zu genießen. Wir waren gerade auf der Höhe des Westerndorfes Los Alamos, als Ricky sehr deutlich „Mama“ sagte und auf ein Auto deutete, das uns gerade mit hoher Geschwindigkeit überholte. Ich schaute ihn an, schaute auf den schwarzen, langen Mercedes auf der linken Fahrspur, der im Begriff war, meinen Vordermann zu überholen, und trat unvermittelt auf die Bremse. Da saß sie, im Rücksitz der Limousine, mit einer stark glänzenden männlichen Haarpracht neben sich. Sie war gerade dabei, sich zu uns umzudrehen.
     
    Ich hatte die Ausfahrt verpasst, also warf ich den Rückwärtsgang ein, trat kräftig aufs Gas und schoss wieder an der Einmündung des Landsträßchens vorbei. Als ich nach rechts abbog, sah ich den Mercedesarsch hoch in der Luft. Der Kerl legte mitten auf der Überholspur eine Vollbremsung hin. Würde doch wohl nicht die zweihundert Meter rückwärts fahren? Ich konnte nicht weiter zuschauen, denn die Straße war schmal und der hügeligen Landschaft aufgewalzt. Ich sauste über die erste von vielen übermannshohen Wellen, erklomm die nächste und schaute mich auf der Kuppe um. Der Mercedes befand sich mitten auf dem breiten Grünstreifen, der die beiden Fahrbahnrichtungen trennt. Ich tat noch ein Brikett drauf, obwohl die Geschwindigkeit für dieses schmale Sträßchen schon zu hoch war.
    „Mama?", fragte Ricky, der nach hinten schaute und wohl nicht viel sah. Er tat mir so furchtbar leid, aber ich konnte doch nicht anhalten. Oder ihm erklären, warum ich momentan seine Mama nicht brauchen konnte.
     
    Der Mercedes war ein ganzes Stück schneller als mein hochbeiniger Jeep. Das wusste ich. Also blieb mir nur die Flucht durchs Gelände. Dafür war das Auto gebaut, und hier, in den sanften Hügeln vorm National Forest, war der Hund begraben. Keine Häuser, kaum Ranches, nur weidende Kühe und Erdöl. Seit neunzig Jahren wurde hier Öl gefördert. Schmale unbefestigte Wege führten überall ins Nichts, trugen Lastwagen zu Förderpumpen und wieder zurück zur Straße. Wer hier mit einem hundsgewöhnlichen Straßenauto herumfuhr, kam nicht weit. Also brauste ich durch die ölhaltige Landschaft, bis ich in der Ferne ein dunkles Auto in voller Fahrt kommen sah. Dann bog ich in den nächsten Dreckweg ein.
     
    Ricky kniete auf dem Sitz und schaute nach hinten. Für ihn war das ein lustiges Spiel. Ob wohl die Mutter aufholen würde? wollte er wissen. Ich glaubte nicht. Die Staubwolke, die der Jeep aufwirbelte, war vermutlich meilenweit sichtbar. Wollte ich ja.
     
    Wir kamen zur Förderpumpe, die auf ihrem Kreis am Ende der Sackgasse majestätisch vor sich hinnickte. Wie ein gewaltiger Hammer wirkte das riesige Gegengewicht, das dem knatternden Dieselmotor half, das Pumpengestänge in Gang zu halten. Als wir vorbeifuhren, sah ich zwei Männer im Blaumann erschrocken aufschauen, winkte ihnen zu und baggerte mir einen Weg durchs hohe Wiesengras. Ich schaltete den Vierradantrieb ein, nahm etwas Gas weg und fuhr mit mäßiger Geschwindigkeit bergab, zu einem Flüsschen, das im Winter zu Tal tobt und im Sommer nur durch sein steiniges Bett zeigt, dass es existiert. Hinterm ausgetrockneten Wasserlauf ging es wieder bergan, und als ich halb oben war, zupfte Ricky meinen Hemdsärmel und sagte; „da hinten ist Mamas Auto.“
     
    An der Pumpe standen sie und konnten nicht weiter. Zwei Herren waren ausgestiegen und glotzten, und meine Frau stand auf der Einstiegsleiste, hielt sich mit einer Hand am Dach fest und winkte mit der anderen. Ich hielt und schaute mich um. Einen Viertelkilometer Wiese lag zwischen ihnen und uns. Trotzdem sah ich ein blaues Wölkchen aufsteigen, hörte den Knall und erschrak zutiefst; ich hätte

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