Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
Vom Netzwerk:
den Kopf schüttelte. „Ich bin ein Junge. Ich kann das, aber Sponge Bob wohnt doch im Meer und da spricht niemand.“ Das hatte er schon geschnallt. „Und warum kann er dann spanisch?“
    „Weil er Bob Esponja ist, und nicht Sponge Bob.“
    Mein Sohn! Ein cleveres Kerlchen. Ich sag´s ja – an dem Knaben geht nichts unbemerkt vorbei.
    Während ich draußen unterm Stoffsegel meinen Laptop aufbaute, schaute Ricky fern. Nach Sponge Bob kamen noch irgendwelche bunten Viecher, überhaupt liefen den ganzen Tag lang Comics und Sesamstraßenverschnitte, was Eltern die Aufsichtspflicht zwar erleichterte, die Fürsorgepflicht jedoch arg gefährdete. Meinte ich. Als Medienmensch kannte ich die Verlockung, sich vorm elektronischen Unterhalter einfach gehen zu lassen, das Hirn im Leerlauf, die Gefühle von einem Extrem ins andere pendelnd. Ich schlug also gegen Mittag eine Spazierfahrt vor – in die Wüste hinterm Berg, wo wir vielleicht Kojoten, Pronghorn-Antilopen, Tule-Elche und Geier von der fliegenden Sorte sehen würden. „Claro, Papi,“ sagte er auf bestem mexikanisch und grinste zu mir hoch. Na, siehste.
     
    Im Dorf zeigte ich ihm, wo es zum Ramirezschen Lebensmittelladen ging, in welchem Büro der Sheriff saß, wenn er da war, und erinnerte ihn daran, dass der Priester immer anzutreffen sei, was er ja aus Baja kannte. Dann fuhren wir auf den Highway in Richtung Bakersfield, bogen ein paar Minuten später nach links auf die unbefestigte Staubpiste durch die Wüste des Carrizo Plain. Dort hatte ich unseren Stash verbuddelt, die vielen Drogendollars aus Morenos Kräutergarten. Meine kleine Kohlegrube, mein Bares im Blechsarg. Wenn wir schon mal in der Gegen waren, wollte ich nachschauen, ob meine Altersversorgung noch gut aufgehoben war.
     
    Eine halbe Stunde später fuhr ich an den Eichen vorbei, unter denen mein Geld lag. Hundert Meter weiter hielt ich, wir stiegen aus und spielten uns langsam aber sicher zu meinem Baum hinunter. Einwandfrei unangetastet. Hier hatte niemand gegraben. Mir fiel der übliche Stein vom Herzen. Mit einem von der breiten, windschiefen Eiche abgerissenen Zweig bohrte ich in der Erde am Rand des Baumschattens, aber selbst aus zwanzig Zentimetern Tiefe kam meine Probe staubtrocken wieder hoch. Kein Dieb, kein Wasser. Mein Geld lag so sicher wie auf der Bank of England.
     
    Ricky und ich zockelten weiter durchs Tal, immer in Sichtweite des San-Andreas-Grabens, der am Fuße der Temblor Mountains verlief. Kaliforniens Haupt-Erdbebenspalte teilte hier recht säuberlich die Ebene von den Bergen – dort, wo die beiden Erdplatten aufeinandertrafen und aneinander entlangschabten, waren Zäune auseinandergerissen und je nach Alter des Zaunes einige Zentimeter bis einige Meter versetzt, Bäche waren zerrissen, Wasser suchte während der Regenzeit die weiterführenden Bachläufe auf der anderen Seite des Grabens, kleine Seen bildeten sich entlang der Spalte, dort, wo sie immer wieder riss.
    Jetzt, im Juli, war alles staubtrocken. Die Natronseen, die im Winter den blauen Himmel spiegelten, waren knochenweiß vom kristallinen Soda. Ein paarmal lief uns ein Kojote über den Weg, eine siebenköpfige Herde Antilopen äste unter Eichen und wir sahen zwar keine Geier, dafür eine Menge träge kreisender Raubvögel. Keine Menschen. Auf der ganzen zweistündigen Fahrt durchs Carrizo kam uns niemand entgegen, die wenigen ausgedörrten Weiden beherbergten einsame, dürre Kühe, und selbst die immer anzutreffenden Fahrrad schiebenden Obdachlosen fehlten.
    Wir fuhren gemächlich bis zum Highway 58, der von San Luis Obispo nach Osten in die Ölfelder Tafts verläuft, und kehrten auf ihm in weitem Bogen zum Highway 166 zurück, der Maricopa durchschnitt. Von dort aus war es nur ein knappes halbes Stündchen zurück nach Cuyama.
     
    Im weitläufigen, staubigen, von Bergen umgebenen Tal, in dessen Mitte Maricopa liegt, tranken wir Cola und aßen Burritos, und ich rief vom wahrscheinlich letzten übrig gebliebenen kalifornischen Telefonhäuschen das Franziskanerkloster in San Miguel an. Ignacio war momentan nicht im Hause, also bat ich, er möge bei Gelegenheit zurückrufen.
     
    Er hatte meine Handynummer und meldete sich, während wir noch unterwegs waren.
    „Ich wollte dir nur sagen, dass alles in Ordnung ist.“
    „Prima. Ich habe mir schon Gedanken gemacht.“
    „Kein Anlass. Ich fahre gerade durch eine wenig besiedelte Gegend, aber ich kann dich bestimmt in einer halben Stunde wieder anrufen.“
    „Gut.

Weitere Kostenlose Bücher