Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)
ihre Autos oder Motorräder sicher ungestellt zu haben. Wohl wissend, die Besitzer würden erst am späten Nachmittag oder sogar am frühen Abend heimkommen, konnte ich ungestört und ohne Hektik schalten und walten. Für viele, viele Stunden gehörten die Schätze mir ganz alleine.
Auch Rupert freute sich über jede Abwechslung. Und so schlichen wir häufig in den Stall und begutachteten die Autos. Ganz vorsichtig spähten wir hinein, immer darüber sinnierend, wie man wohl dieses oder jenes Gefährt knacken könnte. Und eines Tages stand dort ein besonders schönes Exemplar. Ein DKW -Gespann. Das Motorrad mit Seitenwagen lachte uns an, und wir lachten zurück. So ein Ding war ich bis dahin noch nicht gefahren, doch Rupert wollte es mir beibringen. (Wenn er da mal den Mund nicht zu voll genommen hatte.) Das Fahren mit Beiwagen erforderte vor allem in den Kurven besonderes Fingerspitzengefühl, damit man nicht umkippt.
Jeder vernünftige Teenager würde die Finger davon lassen, nicht aber Rupert und ich. Wir fuhren mit Vollgas Richtung Langen, er lenkte das Motorrad, ich saß im Beiwagen. So hätte ich den ganzen Tag verbringen können. Immer in Bewegung, mit einer Prise Abenteuer. Doch nach einiger Zeit langweilten wir uns und disponierten um. »Komm, wir fahren nach Zürs!«, rief ich. Uns reizte die schmale gewundene Passstrasse, die dort hinaufführte. Also machten wir kehrt und fuhren zurück. Lange konnten wir die rasante Fahrt nicht genießen, denn schon bei der zweiten Kurve oberhalb von Stuben war es vorbei. Bei vollem Tempo haute es uns aus der Bahn: Totalschaden. Ich kam kaum aus dem demolierten Beiwagen heraus, hatte aber außer ein paar blauen Flecken mal wieder einen Schutzengel gehabt. Die schöne DKW lag im Seitengraben der Straße, und wir versuchten vergeblich, sie wieder aufzurichten. Ohne Hilfe war da nichts zu machen. Nach einiger Zeit kam ein Auto vorbei, der Fahrer hielt an und half uns. Ich frage mich noch heute, ob es ihm nicht merkwürdig vorkam, dass zwei 15-jährige Bengels mit einem DKW -Gespann Richtung Zürs unterwegs waren? Doch er schien nichts Ungewöhnliches daran zu finden.
Nun mussten wir uns beeilen, aber ein Risiko wollten wir dennoch nicht eingehen. Vorsichtig stiegen wir wieder auf und fuhren im Schritttempo zurück nach Stuben. Zu unserem großen Glück sah uns niemand, die Stubner gingen ihrem Tagewerk nach, und so verschwand das kaputte Gefährt wieder in der Scheune. Rupert und ich wollten das Erlebnis so schnell wie möglich vergessen, doch irgendwann würde der Gast von der Kaltenberghütte ja mal zurückkehren. Unnötig zu erwähnen, dass der Schuldige schnell ausgemacht war. Meine Eltern tobten, und ich konnte auf meinem geschundenen Hinterteil mal wieder tagelang nicht sitzen. Neben dem üblichen Ärger gab es diesmal auch eine klare Anweisung der Polizei: keine Fahrzeuge mehr in der Scheune! Der Polizei konnte ich nichts vormachen, sie wussten, dass ich mich nie beherrschen würde.
Es war also vonnöten, mich tüchtig zu beschäftigen, damit bloß keine Langeweile aufkam. Außerdem war es Zeit, etwas Anständiges zu lernen. Mein Traum, KFZ -Mechaniker zu werden, blieb unerfüllt. Eine Alternative musste her, denn auch als Spross einer Skilehrerdynastie muss man einen »bürgerlichen« Beruf erlernen, bevor man die Pisten unsicher machen darf. Bei uns liegt zwar gut fünf Monate im Jahr Schnee, aber in der restlichen Zeit muss man leider auch irgendwie sein Geld verdienen. Daher ist ein solider Ausbildungsberuf unerlässlich. Die meisten Skilehrer haben einen Handwerksberuf erlernt, der ihnen ermöglicht, im Sommer auf Montage zu gehen. In Stuben selber gibt es im Sommer zwar auch etwas zu tun, Renovierungen, Straßenbau et cetera, aber das reicht bei weitem nicht für alle. Da lediglich ein paar Wandergäste zu uns kommen, schließen viele Hotels und Pensionen gleich ganz. Die Stubner Kinder wissen also schon von ihren Vätern und Großvätern, dass sie irgendwann ihr geliebtes Dorf verlassen müssen, vom Skilehrergehalt alleine kann man keine Familie ernähren.
Ich war zwar von einer eigenen Familie noch weit entfernt, aber arbeiten musste ich trotzdem. Und so begann ich – auf Wunsch meines Vaters – eine Schlosserlehre in Bregenz, wo auch mein Bruder Anton zu dieser Zeit als Rezeptionist im Hotel Krone arbeitete. Sehr zu meiner Freude absolvierte mein Freund Hans aus Klösterle im gleichen Betrieb seine Lehre. So war ich in dieser für mich großen Stadt,
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