Ab ins Bett!
bin, assoziiere ich Kleidung grundsätzlich mit vor dem Kamin sitzen oder nach dem Sex aus dem Bett taumeln, um die Tür zu öffnen, oder Sonntag morgens die Zeitung zusammen lesen. Und Alice paßt wunderbar zu all diesen Vorstellungen. Trotz der peniblen Ordnung im Haus wirkt sie immer ein bißchen zerzaust, ihr Lächeln das Lächeln von jemand, der sich geliebt weiß, gerade aufwacht und einen erkennt.
»Also Gabe«, sagt sie, »meiner Meinung nach ist das eine wirklich gute Idee. Ich habe darüber nachgedacht. Du bist wirklich der Beste dafür.«
»Warum?«
»Weil du so voreingenommen bist. Du sagst viele Sachen, die den Leuten gegen den Strich gehen, und das wird dem Blatt guttun. Außerdem hättet ihr zwei eine Menge Spaß, wenn ihr zusammenarbeitet.«
Sie denkt an mich, wenn ich nicht da bin. Mein Gesicht und mein Name waren ihr im Sinn.
»Und ich liebe dich und will dich heiraten. Tut mir leid, Ben. Ich hätte es dir längst sagen sollen, aber seit ich an Gabriel denke, wenn er nicht hier ist, bin ich mir klar geworden, was für ein fantastischer Typ er ist. Also — es waren herrliche drei Jahre, aber jetzt: Adieu.«
Schon gut, sie sagt es nicht. Sie sagt: »Essen ist fertig, kommt bitte.«
In Gabriel Garcia Marquez’ Liebe in Zeiten der Cholera gesteht ein Verehrer einer verheirateten Frau seine Liebe erst, als ihr Mann stirbt, und da sind beide alt. Sie glauben, alles ist vorbei, aber dann, in Marquez’ Vision, triumphiert das Pensionär-Liebespaar über die Zeit, beginnt in den Schlußkapiteln eine neue Erzählung, gute Nachrichten werden dadurch besser, daß sie im letzten
Moment kommen, im P.S. des Lebens. Ich finde darin keinen Trost. Ich kann mir nicht vorstellen, weshalb etwas erlesener sein soll, weil es am Ende des Stücks kommt. Ich will nicht fünf Minuten vor Torschluß ficken; und außerdem hat man’s dann mit schlaffen Hälsen, vergrößerten Ohrläppchen, unbehaarten Genitalien, ranzigen Achselhöhlen zu tun und muß an den kalten, atemlosen Tod denken. Versuch mal, da noch einen Ständer zu kriegen, wenn obendrein noch deine Prostata im Eimer ist. In Zeiten der Cholera, ist einfach nicht die Zeit.
Was soll’s also? Der Job wird mich Alice drei Millimeter näher bringen; und auch wenn ich sie immer nur zusammen mit Ben sehe, ist das doch ein recht ansehnlicher Teil von meinem Penis.
»Na gut. Einverstanden«, sage ich und setze mich an den Tisch. Das Essen ist ein Fisch-Nudel-Gemisch, thailändisch, absolut hervorragend gekocht.
»Kööst...«
»Aber vor zwölf kann ich nicht zur Arbeit kommen. Ausgeschlossen. Und ich schreibe unter Pseudonym, gegen Barzahlung, damit ich mich weiter arbeitslos melden kann.«
»Ach, sei doch nicht so’n geldgieriger Wichser«, sagt Ben und füllt mein Glas nach. »Ich werde dir schon genug zahlen.«
»Wer zum Teufel lebt schon gern vom Arbeitslosengeld«, sagt Alice.
»An der Auszahlungsstelle kannst du ’ne Menge fantastischer Burschen treffen. Ich fühl mich da wie in einer Art exklusivem Club. Und die Typen dort, die verlassen sich inzwischen auf mich. Morris zum Beispiel, was würde der ohne mich anfangen?«
»Morris?« fragt Alice.
»Na, der Morris, der mir einmal dreißig Pfund anbot, damit er mir beim Pinkeln zugucken darf.«
»Vielleicht können wir ihn ja gleich mit anheuern«, sagt Ben. »Als Wassersport-Redakteur.«
Alice lacht darüber. Trotz meiner eifersüchtigen Wut - was ist mit all meinen Witzen, die dich zum Lachen brachten, hast du die plötzlich vergessen, du Schlampe, du Hure -, bin ich wieder beeindruckt: Wie geschmiert läuft es zwischen Alice und Ben, nicht die geringste Spur ehelicher Spannung! Unglaublich. Händchen haltend vor dem Liebesspiegel, haben die Besten von uns doch schon gesehen, wie aus heiterem Himmel einer plötzlich über nichts und wieder nichts sauer und eingeschnappt ist, der zum Verzweifeln umständlichen Art zum Beispiel, wie der andere den Sicherheitsgurt festmacht oder mit himmelschreiender Dickfelligkeit zu dicht vorm Fernseher hockt. Aber bei Ben und Alice ist es nicht so wie bei den meisten glücklichen Paaren, wo jede Spannung sich schnell in beiderseitigem Verzeihen auflöst: Es gibt überhaupt keine Spannungen.
»Na gut«, sagt Ben. »Wir können es so machen, wenn du willst. Obwohl ich eins genau weiß: Wenn die Leute anfangen darüber zu reden, wie fantastisch die wöchentliche Kolumne ist, wirst du dich schlaumeierschnell outen.
»Schlaumeierschnell?« frage ich.
»Ja. Weiß
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