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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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zu arbeiten: 6,3 Sekunden, Mann! Fast persönliche Bestzeit des Jungen, bloß 0,9 Sekunden fehlen am europäischen und Commonwealth-Rekord von 7,2 beim Treffen vor dem Kino zur Henry: Portrait of A Serial Killer- Vorstellung. Aber vor allem will ich damit den Vorgang selbst verlängern, die Bewegung ihres Gesichts auf meins zu in Zeitlupe einfangen, das Bild ihrer Lippen auf meiner Haut einfrieren — halt es fest, halt es fest, ah... aber die Spule läuft weiter mit dem üblichen Quatsch. Nichts besonderes.
    Ich folge ihrem Nacken durch den Terracottaflur; als das Licht um ihr Haar bläulich wird, weiß ich, daß ich im Wohnzimmer bin. Der Raum riecht frisch und klar, als wäre er gerade ausgeschüttelt und gesaugt worden. Spiegelnde Oberflächen, Bücher in geordneten Reihen in den Regalen, die Fenster durchsichtig, das Sofapolster blütenweiß, und die Zeitungen und Zeitschriften in der Ecke neben dem Fernseher sind allen Ernstes in einem Zeitungsständer zusammengepfercht, halten Sie’s für möglich!
    »Entschuldige die Unordnung hier«, sagt Alice und geht in dem Moment zur offenen Tür raus, als Ben hereinkommt und sich ohne jedes Empfinden für dieses große Privileg an ihr vorbeizwängt. Auch er hat einen üppigen Mop krausen schwarzen Haars — von Anfang an dachte ich, daß es diese Ähnlichkeit war, um die herum sich ihre gegenseitige Anziehung kringelte. Hat man die beiden zusammen im Sucher, sehen sie plötzlich zum Lachen aus: Als Foto, das Sarotti auf seine Schokolade drucken würde, ginge so was heutzutage noch durch. Auch Ben küßt mich. Mir wäre es eindeutig lieber, er täte das nicht. Ich mag es nicht, wenn Männer mich küssen. »Aha, in Wirklichkeit sind Sie also ein verkappter Homosexueller!« Jajaja: Jede bewußte Abneigung ist die genaue Umkehrung eines unbewußten Wunsches; na, was Freud angeht, macht mir keiner was vor. Ich meine: Wenn schon die kleinste Andeutung von Flaum auf der Oberlippe einer Frau ausreicht, daß sie bei mir ein für allemal unten durch ist, dann ist es gewiß die Wahrheit, die nicht besonders aufgeklärte Wahrheit, daß ich mich nicht insgeheim danach verzehre, das Schmirgelpapierkinn eines Mannes an meiner treulosen Brust zu spüren.
    »Was zu trinken?« fragt Ben, während sein langes Gestell von meinem abfedert. Bens Gesicht ist gleichzeitig hager und fleischig, wie bei... wie heißt er noch? Na, dieser amerikanische Zauberer.
    »Oja, bitte gern«, sage ich und wische mir die Backe ab.
    Was zu trinken / Oja, bitte gern ist ein stehender Witz zwischen uns, ein Wir-spielen-erwachsen-Witz; unsere Eltern reden so, glauben wir wenigstens. Wir sagen es bloß ironisch. Ich und Ben, jetzt beide Mitte zwanzig, lassen uns diese Wir-spielen-erwachsen-Witze nicht nehmen, aber allmählich bekommen sie einen leicht verzweifelten Klang.
    Er holt mir ein Bier und eine Limonenscheibe dazu. Während ich die Scheibe in den Flaschenhals drücke und zugucke, wie das Ganze in einer Materie/Antimaterie-Explosion aufschäumt, staune ich wieder einmal über das schier unfaßliche Walten und Schalten des uns bekannten Universums, das es diesen Leuten hier erlaubt, die ja schließlich in keiner Weinbar leben, tatsächlich Limonenscheiben zur Hand zu haben, um sie zu einem Bier zu servieren. Die ganze Zeit ist mir Alices Abwesenheit im Raum bewußt. Ich kippe das Bier, und sowie es mir über die Zunge läuft, überkommt mich der übliche Ekel, wie immer gefolgt von dem inneren Aufschrei nach Limonade.
    »Warst du heute im Fitneßstudio?« frage ich und setzte mich auf das makellos weiße Sofa.
    »Ja«, sagt Ben und sinkt in den Sessel gegenüber. »Sieht man’s mir noch an?«
    »Nein. Keine Spur. Mir — mir würd man’s noch ansehen, wenn ich gestern da gewesen wäre.«
    Er grinst. Ben hat es gern, wenn ich nicht an unserer Rollenverteilung rüttele — er Tarzan, ich Janus.
    »Ich hab am >Brustaufbauer< trainiert«, sagt er und versieht den Brustaufbauer mit ein paar deutlichen Gänsefüßchen.
    »Wirst du in diesem Stiernacken-Laden nicht komisch angeguckt?« frage ich. »Ich meine... sieh dich an. Brille. Eindeutig jüdisch.« Er runzelt die Stirn. »Gefurchte Stirn. Wahrscheinlich ein Exemplar von Dantes Hölle irgendwo in den Jogginghosen verstaut. Sind die nicht mißtrauisch? Halten sie dich nicht für einen Spion?«
    »Nein«, sagt er und zieht seine breitrückige Nase kraus, die wie einmal gebrochen aussieht, es aber nie war. »Sie durchschauen mich. Wissen, daß alles nur Pose

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