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Abaton

Abaton

Titel: Abaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Jeltsch
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der Junge die Spitze des Messers an die Kehle des zutraulich schnuppernden Tiers.
    Aus den Augenwinkeln sah er, dass der Junge neben ihm schon getan hatte, was man ihm befohlen hatte. Der Vater schrie Hans an. Er solle sich wie ein richtiger Junge benehmen.
    Der Hase schloss die Augen.
    Öffnete sie wieder.
    Spürte die Spitze an seiner Kehle. Eine Ewigkeit lang drückte Hans das Messer gegen den Hals des Tieres. Nichts geschah. Und er hoffte. Hoffte so sehr ... dass es doch nicht passieren würde. Das Schlimmste.
    [ 1335 ]
    Eddas Herz schlug schneller, sie fühlte die hilflose Furcht des Tieres und gleichzeitig wusste sie, dass es nicht ihre Angst war. Es waren Erinnerungen, die sie empfing, von einem Teil des Mannes dort draußen, den er abgespalten hatte, von dem er glaubte, sich für immer verabschiedet gehabt zu haben. Vor dem Clint sich fürchtete. Ein Teil aus einer Zeit, als sein Soldatenvater ihn in das Experiment der Geheimdienste brachte. Als er seinem Vater gefolgt und als er sich und seine Unschuld verloren hatte, weil er nicht die Macht und die Kraft besaß, sich gegen seinen Vater zu wehren. Auszubrechen.
    Clint spürte, wie Tränen an seinen Wangen herabliefen. Für einen Augenblick wusste er nicht, was es war. Er hatte noch nie geweint. Nicht mehr, seit er ein Kleinkind war.
    Jetzt konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten.
    „Halt die Fresse!“, schrie er den kleinen Jungen an, der dort im Abendrot stand. „Du ekelhafter Weichling ruinierst alles!“
    „Ich habe meinen Hasen getötet ... ich wollte es nicht!“
    „Doch! Du wolltest es! Du hast dich nur nicht getraut!“
    „Nein, nein ...!“
    Er war noch so klein gewesen und hilflos wie der Hase in seinen Armen, dem er mit einem Messer die Kehle durchgeschnitten hatte und der in seinen Armen verblutet war. Wie sein Vater es gewollt hatte. Er hatte sich verraten. Weil er seinen Vater liebte.
    [ 1336 ]
    Die drei waren völlig gefesselt von dem inneren Kampf des Söldners. Immer lauter weinte der kleine Junge und immer lauter schrie Clint gegen ihn an.
    Linus begriff, dass sie sich an Hans wenden mussten. „Lass uns frei!“ Sein Gedanke erreichte Edda. Und über sie erreichte er auch Simon.
    „Hans! Lass uns frei!“
    Immer häufiger wiederholten sie den Gedanken. Schickten ihn wie ein Funksignal in das Chaos der Gefühle, in dem Clint unterzugehen drohte.
    [ 1337 ]
    Weinend kroch der alte Söldner zur Kabine, nahm die Verriegelung weg, und als die Tür aufsprang, saß er zusammengesunken und schluchzend am Boden. Seine Sturmmaske hatte er abgezogen und sein faltiges Gesicht war gerötet. Er starrte auf den Boden und redete vor sich hin, mal weinend, mal lächelnd. Sprach wie ein zehnjähriges Kind.
    Vorsichtig und erschöpft traten Edda, Linus und Simon aus der Kabine und schoben sich an ihm vorbei. Sie wussten, was geschehen war, auch wenn sie keine Worte dafür fanden. Leise nahmen sie ihre Sachen. Plötzlich klingelte ein Handy. Das Handy des Söldners. Linus packte es. »Zentrale« zeigte das Display an. Linus hatte Angst, dass das Klingeln Clint zurückholen könnte. Er meldete sich, auch wenn die beiden anderen ihn warnten.
    „Ja?“, fragte Linus mit tiefer Stimme.
    „Operation »Ex-Punkt-Eins-Zwei-Drei«?“, fragte die Stimme einer Frau. Linus zögerte.
    „Alles erledigt?“, fragte die Frau. „Die Frequenz wurde aufgespielt?“
    „Positiv“, sagte Linus und legte auf.
    Die drei eilten hinaus auf die Straße.
    „Scheiße! Was war das?“, sagte Simon.
    Sie waren bestürzt und gleichzeitig erleichtert. Und erschöpft.
    „Verschwinden wir! Nehmen wir meinen Wagen!“
    [ 1338 ]
    In der Einsatzzentrale von gene-sys hatte die Einsatzleiterin das Handy aufgelegt und die Durchführung der Operation weitergemeldet. Sie atmete durch und schaltete das riesige Display aus.
    Mission erfüllt!, meldete sie nach oben. Dann lehnte sie sich zurück und lächelte. Wie gerne hätte sie jetzt eine geraucht. Sie steckte eins ihrer Kaugummis in den Mund und begann den wie immer notwendigen Bericht zu schreiben.
    Wäre das Display noch eingeschaltet gewesen, sie hätte mit ansehen müssen, wie sich die Kritische Masse von der Wohnung entfernte.
    [ 1339 ]
    Linus versuchte, hinter dem Lenkrad die Übersicht zu behalten. Immer wieder beschlugen die Fenster und die Scheibenwischer von Olsens altem Wagen hatten Mühe, die Regenmassen zur Seite zu schaufeln.
    Der Wolkenbruch hatte begonnen, als die drei die Wohnung verlassen hatten. Ihnen war, als

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