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Abaton

Abaton

Titel: Abaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Jeltsch
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einmal in die Wohnung zurück.
    „Die Schallplatte“, sagte er und verschwand in der Wohnung.
    Linus und Edda warteten.
    „Jetzt was zu rauchen“, sagte Edda sehnsüchtig. Gerade als sie nachsehen wollten, wo Simon so lange blieb, stürmte er ihnen entgegen.
    „Die Platte ist weg!“
    [ 1342 ]
    Clint zog die Beine an den Körper wie ein kleines Kind. Er hatte bemerkt, wie die Kids verschwanden. Doch er hatte nichts dagegen tun können. Leise summend saß er da und wiegte sich vor und zurück. Wie Hans es getan hatte. Damals, als die Nacht und die Dunkelheit zu seinen Freunden geworden waren und der Tag sein Feind. Ein Feind, der die Menschen zurückbrachte. Menschen wie seinen Vater, die ihn zwangen, Dinge zu tun, die er nicht tun wollte. Ihn zwangen zu werden, was er nicht werden wollte. Hans hatte sterben wollen damals, aber er hatte nicht den Mut gehabt. Deshalb hatte er begonnen, sich in die Dunkelheit zurückzuziehen und zu töten. Alles war Schwäche. Die Menschen waren schwach, weil sie sterblich waren, dachte Clint. Das war der Fehler, den Gott nicht bedacht hatte. Erbärmlich. Wenn der Mensch ein Ebenbild Gottes war, dann war Gott ein Loser. In Wirklichkeit gab es nichts außer einem Nichts.
    Das waren nicht mehr Hans’ Gedanken. Clint übernahm wieder den großen durchtrainierten Körper. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und schmeckte die Tränen des kleinen Jungen. Er fühlte sich zerschmettert, als hätte man ihn gegen einen Felsen geschlagen. Doch was eben geschehen war, war bedrohlicher als die Schmerzen in seinem Körper. Es hatte ihm Angst gemacht. Und noch gefährlicher war, dass es andere gab, die wussten, wo seine Angst lag.
    Er musste ruhig bleiben.
    Methodisch vorgehen, sonst würde er Fehler machen.
    Zunächst würde er Hans töten. Für immer die kleine schwache Ratte auslöschen, die nicht den Mut gehabt hatte, sich selbst zu töten. Dann würde er die drei Kinder beseitigen, die wussten, dass es Hans gab. Es durfte keine Spuren geben.
    Clint war immer noch geschwächt. Aber diese Gedanken gaben ihm Kraft, ein Ziel. Einen Halt. Verdammt, es hatte ihn ganz schön erwischt. Er schloss noch einmal die Augen, um zu überprüfen, ob Hans wirklich verschwunden war.
    Er bemerkte nicht, wie sich lautlos die Wohnungstür öffnete und eine dunkle Gestalt in den Raum spähte und dann eintrat.
    Mit wenigen geräuschlosen Schritten schlich der Fremde zu dem Grammofon und nahm die Platte an sich. Das Magnetophon-Tonband, das auf dem Schreibtisch unter dem alten Umschlag lag, sah er nicht.
    Wäre Clint in diesem Augenblick schon klar bei Sinnen gewesen, hätte er den Mann erkannt. Vor langer Zeit waren sie Kameraden gewesen. Verbündete. Doch der Fremde hatte die Dunkelheit besiegt. Er wusste, dass Bernikoff mit seinen Forschungen ein gutes Ziel verfolgt hatte, und er war einen anderen Weg gegangen. Hatte bewusst seine positiven Fähigkeiten gestärkt, nachdem er das Böse in sich besiegt hatte. Von Anfang an hatte er ein Auge auf das Trio geworfen und über es gewacht. Der Fremde wusste, was man mit ihnen vorhatte. Und als er den wehrlosen Clint sah, stieg plötzlich der Wunsch in ihm auf, seinem Leid ein Ende zu bereiten und damit auch dem Leid, das Clint über die Menschen gebracht hatte. Ein schneller Schnitt mit einer scharfen Klinge. So schnell und scharf, dass Clint ihn kaum gespürt hätte.
    Der Fremde erschrak über seine Gedanken.
    Das Dunkle war noch da.
    Er wusste, dass Gewalt nur noch mehr Gewalt erzeugte.
    Es würde einen anderen Weg geben; einen, den noch niemand kannte.
    Behutsam steckte er die Platte mit der Aufschrift »Abaton« in seine Jacke und verließ die Wohnung.
    Kurz darauf rappelte sich Clint auf.
    Benommen und mit präzisen, mechanischen Bewegungen begann er zu tun, was er gelernt hatte. Er säuberte die Wohnung von Spuren und beseitigte jeden Hinweis auf seine Anwesenheit. Ihm war ein fataler Fehler unterlaufen und er würde den Fehler beheben.
    Von nun an würde er keine Gefangenen mehr machen. Er nahm seine Sachen. Als er gehen wollte, sah er auf dem Schreibtisch noch etwas liegen. Unter dem Kuvert. Er fand das alte Tonband, überlegte kurz und steckte es ein. Dann verließ er die Wohnung, ohne die Tür zu schließen.
    Die Jagd war eröffnet.
    [ 1343 ]
    Da hockten die drei Freunde in der großen Stadt. Sie hatten sich vor dem Regen, der erneut stärker geworden war, in den alten Opel zurückgezogen und waren so klug als wie zuvor. Nur dass jetzt auch noch die

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