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Abaton

Abaton

Titel: Abaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Jeltsch
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menschliche Gehirne wohl einer Art Taktung unterliegen.“ Er hoffte, dass die wissenschaftlichen Begriffe dem Geschehen ein wenig den Schrecken nehmen würden. Aber dem war nicht so. „Jedes läuft auf seiner eigenen Frequenz“, erklärte er. „Unverwechselbar.“
    „Wie ’n Fingerabdruck?“, fragte Edda.
    „Genau, ja. Und durch die richtigen Frequenzen kann man die Tätigkeit der Hirne steuern und lenken. Man kann Bereiche ein- und ausschalten. Es gibt sogar bestimmte Frequenzen, mit denen man Informationen des Gehirns löschen kann. Erinnerungen zum Beispiel ...“
    „Glaubst du, alles, was mit uns in den letzten Tagen passiert ist, kommt von denen?“, fragte Edda.
    Linus wusste es nicht, aber er vermutete es.
    „Im Auto von Olsen habe ich Apparate, mit denen ich das Angstzentrum des Gehirns ausschalten kann. Ich hab’s selbst an mir ausprobiert und hab Sachen gemacht, die ich mich früher nie getraut hätte.“
    „Nützt uns jetzt aber nichts.“ Edda starrte vor sich hin. „Glaubst du, wir beide haben eine ähnliche ‚Taktung‘? Unsere Gehirne, meine ich. Weil wir uns doch verstanden haben, ohne zu sprechen …“
    Linus hätte gerne weiter geglaubt, dass Liebe der Grund dafür sei, doch Eddas Vermutung erschien ihm wahrscheinlicher.
    „Wenn du und ich eine ähnliche, vielleicht ja gleiche Taktung haben und wir uns gegenseitig Gedanken übermitteln können, glaubst du, dass wir dann auch gemeinsam ‚senden‘ können?“ Sie schaute Linus an und verzog gleich wieder das Gesicht. „Is’ Schwachsinn, oder?“
    „Nein, nein, nein …“ Linus nickte eifrig. „Dieser Olsen hat mir gesagt, dass sie so was trainiert hätten bei diesem MK-Ultra-Programm damals. Und dass er und seine Kampfgenossen das mal angewandt hätten. In Gefangenschaft, in Kambodscha. Um freizukommen. Sie haben sich vernetzt. Ja. Sie haben eine Art Braincloud gebildet, so hat er es genannt.“
    „Braincloud?“, fragte Edda zweifelnd.
    „Eine gedankliche Vernetzung. Wenn sich zwei oder mehr Menschen auf etwas konzentrieren, bildet sich eine Energie, mit der sich etwas bewirken lässt ... keine Ahnung, was genau.“
    „Versuchen wir’s“, sagte Edda.
    „Was denn?“
    „Na ... die Braincloud!“
    „Und dann?“
    „Was ist in Kambodscha denn genau passiert?“, fragte Edda.
    Linus schüttelte den Kopf. „Vollkommen irre. Sie haben sich unsichtbar gemacht, hat Olsen gesagt. Sie haben den Feinden suggeriert, dass sie sie nicht sehen können und sind entkommen.“
    „Einfach so ...?“ Edda staunte. Und am meisten staunte sie, dass ihr das in diesem Moment nicht unmöglich vorkam. „Fragt sich nur, wie wir diesen Scheißkerl da draußen erreichen?“
    „Indem wir ihn nicht als Scheißkerl sehen. Mit Hass erreichen wir ihn nicht“, sagte Linus und wunderte sich seinerseits, wie klar und deutlich er etwas formulierte, was Olsen nur angedeutet hatte.
    „Mit Liebe etwa ...?“, fragte Edda.
    [ 1329 ]
    Sie hörten nicht, dass Clint zurückgekehrt war und begonnen hatte, seine Apparatur aufzustellen. Er richtete die Geräte auf den kleinen Raum, in dem die drei gefangen waren. Er verschwendete keinen Handgriff, hatte es aber auch nicht eilig.
    Nur der Teufel war immer in Eile. Clint lächelte. Diesen Satz pflegte Olsen zu sagen. Wie man sich in einem Menschen täuschen konnte. Jeder Mensch war besiegbar und schwach. Man musste nur seine verwundbare Stelle finden. Olsen war durch seinen Autounfall auf seine eigene Schwäche gestoßen. Es war nicht sein Fehler gewesen. Schade um ihn. Die von der alten Garde wurden immer weniger. Von den MK-Ultras. Den Ultraharten.
    [ 1330 ]
    Linus und Edda saßen da und hielten die Augen geschlossen. In Zuneigung, ohne Hass, versuchten sie, an den Mann zu denken, der nur wenige Schritte entfernt von ihnen alles dafür vorbereitete, sie zu töten. Die beiden suchten nach dem Gefühl, das sie spürten, wenn sie miteinander verbunden waren. Sie spürten, wie sich ihre Körper hin und her wiegten. Wie sie sich leicht fühlten, und auf einmal breitete sich Gänsehaut über ihren ganzen Körper aus. Und sie verging nicht.
    Edda spürte, wie jede erhabene Pore sich in ein Haar weiterentwickelte. Wie sie sich plötzlich warm und sicher eingehüllt fühlte. Wie von einem Fell.
    „Edda ...?“ Simon war aufgewacht. Und Eddas Gespür verschwand. Sie musste sich erst wieder orientieren. Sah Simons Gesicht. Sie lächelte. Und half Simon, sich aufzurichten.
    „Wo sind wir?“, fragte er besorgt.
    Linus

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