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Abaton

Abaton

Titel: Abaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Jeltsch
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getragen, die beim Laufen klimperten und die Schlangen im Gras fernhielten.
    Sogar wenn der Regen aus dem Himmel brach, war es warm gewesen. Dann hatten die Tiere die Köpfe hängen lassen und die Schlangen waren in die Häuser gekommen.
    Eddas Mutter hatte einen Schlangenfänger bestellt, der die Schlangen im Haus und im Garten aufspürte, sie in einen Eimer steckte und sie dann zurück in den Wald brachte. Aber schon am nächsten Tag waren sie wieder da. Unter den Möbeln, den Betten. Im Bad. Und einmal hatte Edda eine Schlange im Klo gefunden. Gerade als sie sich hatte hinhocken wollen. Von da an hatte sie sich nicht mehr sicher gefühlt.
    Schlangen sprachen miteinander.
    Das wusste Edda.
    Damals war sie überzeugt, dass sie die Sprache der Tiere beherrschte, und nie taten ihr die Tiere etwas. Doch vor den Schlangen hatte Edda Angst. Ihre Sprache verstand sie nicht. Und als die Schlangen immer mehr wurden, zogen die Männer des Ortes mit Schaufeln aus und erschlugen sie im Wald und auf den Wiesen um das Dorf herum. Ihre Körper ließen sie zurück. Damit die anderen Schlangen sie sahen und abgeschreckt wurden.
    Eine Weile blieben die Schlangen fort.
    Eines Nachts wachte Edda auf, weil etwas sie im Schlaf streichelte. Sie hatte von freundlichen Tieren geträumt, die sie als eine der ihren aufgenommen hatten, die sie beschützten. Und wie ein Tier lag sie zwischen all ihren Freunden.
    Als sie die Augen aufschlug und sich aufrichtete, spürte sie etwas an ihrer Hand. Edda machte die kleine Lampe an, die auf einem Stuhl an ihrem Kopfende stand, und schrie laut auf. Auf dem Bett und dem Boden ihres Zimmers wimmelte es vor Mäusen. Und Edda wusste, dass sie wegen der erschlagenen Schlangen gekommen waren – die Mäuseplage war die Rache der Schlangen. Wieso dachte sie jetzt daran? Edda schloss die Kiste mit den Erinnerungen an die Schlangen. Das Camp – der sandige Boden, die Zelte – hatte die Erinnerung hervorgebracht.
    Edda wollte an etwas Schöneres denken. An die Wärme und die anderen Tiere und an Shiva, ihren kleinen, indischen Freund, dem sie so nah gewesen war. Aber war ihre Kindheit in diesem fernen Land wirklich schön gewesen? Immer wieder fiel ein Schatten auf ihre Erinnerung. Deshalb hatte sie angefangen, sich zu schminken. Ihr Gesicht zu verdecken. Kleider zu tragen, in denen sie sich ganz weit weg fühlte von Indien.
    Von ihrer Mutter.
    Von den Männern.
    Dem einen Mann.
    Noch immer redete die Campleiterin. Erklärte die Abläufe im Camp, die Einteilung des Küchendienstes.
    Eddas Gedanken bewegten sich auf einen Punkt zu, an den sie nicht wollte. Nicht jetzt. Nicht später. Nie mehr! Bitte! Nie mehr ...!
    [ 1119 ]
    „Was ist jetzt?“ Clint, der Anführer des Siebenertrupps, klang ungeduldig. Er hasste es, wenn irgendetwas in seiner Planung aus dem Ruder lief. Und die Sache mit diesen drei Jugendlichen lief gehörig aus dem Ruder. Konnte es sein, dass Jugendliche – ach was, Kinder – ihn an der Nase herumführten?
    „Alle in Position?“, fragte die Stimme der Frau aus der Zentrale.
    Clint verzog das Gesicht und nickte erst, als müsse er sich beruhigen, bevor er antwortete.
    „Positiv!“, sagte er kurz angebunden. „Die vier nächsten Ausstiege aus dem Untergrund sind in Kürze unter Beobachtung.“
    Er hatte außerdem ohne ausdrückliche Anweisung von oben einen seiner Leute zur Disco am Teufelsberg geschickt. Wo die drei gesuchten Kinder jetzt hätten sein müssen. Er wollte absolut sichergehen, dass es wirklich Edda, Simon und Linus waren, denen sie folgten.
    „Was ist mit der Anzeige vom Teufelsberg?“, fragte er und ließ keinen Zweifel, dass er die Frau in der Zentrale nicht gerade für fähig hielt.
    Es dauerte, bis er eine Antwort erhielt. Die Frau in der Zentrale schwitzte. Sie hatte das Raster der elektronischen Suche nach der Kritischen Masse erweitert und damit begonnen, es Schritt für Schritt über die gesamte nächtliche Stadt zu legen. Die drei mussten doch aufzuspüren sein. Der riesige Bildschirm zeigte nun ausschließlich den Teufelsberg an und die Gebäude, die sich darauf erhoben. Eine ehemalige amerikanische Abhörstation. Einst ausgerichtet auf den kommunistischen Osten der Stadt, inzwischen zerfallen.
    Das Raster des Suchsignals legte sich über den gesamten Gebäudekomplex. Die Frau intensivierte das Signal, sodass es tief in die alten Gebäude eindrang. Die Anzeige schlug aus. Was die Frau jedoch nicht erstaunte. Sie schaute auf die Uhr. Es war wenige Sekunden vor

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