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Abaton

Abaton

Titel: Abaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Jeltsch
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ja sogar nette – Jugendliche, die sich aufs Feuermachen und die Nachtwanderungen freuten, die die Campleiterin gerade ankündigte. Brave, ahnungslose Nerds, dachte Edda, die ihre Tage damit verbrachten rauszufinden, wie viele Mentos und Cola man braucht, um ein Dreirad anzutreiben. Oder dicke Bücher über Zauberer zu lesen. Edda hasste Bücher über Zauberer und magische Portale, über Elfentanz und sprechende Einhörner. Sie fühlte dabei einfach nichts. Immer wenn ein Problem in diesen Geschichten auftauchte, wurde irgendein verlauster Gnom oder Troll ins Rennen geschickt, um es zu lösen. Wie konnte man sich diesen Müll nur reinziehen?
    Am liebsten mochte Edda Filme. Filme, in denen normale Mädchen vorkamen. Mädchen und Jungs. Filme, bei denen man von Anfang an schon wusste, dass sich zwei liebten. Nur die Leute im Film wussten es nicht. Wenn sie solche Filme anschaute, hatte Edda das Gefühl, ihnen dabei behilflich zu sein, sich gegenseitig zu finden. Dann fühlte sie sich gut. Es gab Filme, die sie schon 20-mal gesehen hatte. Sie kannte jeden Satz aus dem Drehbuch auswendig und sprach den Text im Kopf mit. Und manchmal nahm sie diese Sätze in ihren Alltag mit.
    „Umzingelt von Idioten“, sagte Edda. Offensichtlich so laut, dass ihr Nachbar sie hören konnte.
    „Wenn dir das hier nicht gefällt, wieso hast du dann überhaupt am Wettbewerb teilgenommen?“, fragte ein pummeliger Junge mit Brille, der neben Edda auf einem der dicken Baumstämme saß.
    Er hatte Edda mit dem Ellbogen angestupst.
    Thorben hieß der Dicke, das stand auf seinem Namensschild. Mittlerweile trugen alle Jugendlichen im Lager ein solches Schildchen, das einen winzigen Metallchip in sich barg.
    „Woher hätte ich denn wissen sollen, wie es hier ist?“, giftete Edda unverzüglich zurück.
    „War alles online zu lesen.“ Thorben zog die Augenbrauen zusammen und versuchte, cool zu wirken. Er trug ein Hemd mit Farben, die es eigentlich gar nicht gab. Edda konnte sich genau vorstellen, wie Thorbens Mutter das Hemd in einem Billigladen ausgesucht hatte, in der Annahme, dass diese Farben modern seien. Und sofort hatte Edda auch ein Bild der Mutter vor sich. Altmodische kleine Löckchen, Übergewicht. Keine Ahnung von nichts. Aber da ihr Junge doch auch dazugehören sollte, zur Clique von Kevin oder Mike oder wem auch immer, hatte sie das schicke Hemd gekauft. Und er hatte sich sicher auch noch bedankt. Mit der Clique hatte es dann aber trotzdem nicht geklappt ...
    Wer um alles in der Welt mischte solch hässliche Farben? Und warum? Blinde oder Sadisten vielleicht?, fragte sich Edda.
    Thorben indes betrachtete Edda wie einen sehr, sehr seltenen Schmetterling, dem er sich vorsichtig näherte, weil er ihn auf keinen Fall verscheuchen wollte.
    O Gott, nein! Der mag mich, durchfuhr es Edda. Sie kannte diesen Blick. Dieses Starren.
    „Haben sie dich nach einem Kuchen benannt?“, fragte sie schnell, um Thorbens zärtlich aufkeimende Gefühle zu ersticken. „Oder nach einem Ikea-Regal?“
    „Thorben ist der Gott des Donners“, entgegnete er ungerührt. „Der Name entstammt der germanischen Mythologie! Eigentlich solltest du das wissen ...“ Er deutete auf Eddas Schild. „Vielleicht solltest du die Edda mal lesen! Thorben kommt auch darin vor.“
    „Oh, ich kenne die Edda besser als jeder andere, glaub mir“, log Edda im gleichen hochtrabenden Ton und Thorbens Gesicht leuchtete vor Glück.
    Edda setzte den Todesstoß.
    „In Mir kommt aber garantiert kein Thorben … vor!“
    Für einen Augenblick erstarrte Thorben.
    „Sollte wohl ein Witz sein, oder? Der war gut. Der war echt gut!“ Thorben lachte. Ein Lachen, das sich kurz vor dem Luftholen in eine Art Schnarchen verwandelte. Plötzlich verstummte Thorben und vergewisserte sich. Wegen des Witzes. „Bisschen unanständig, nich’?“ Er grinste selig, stolz, eine schlüpfrige Anspielung erfasst zu haben.
    Edda reagierte nicht. Sie staunte nur über diesen Jungen. Offenbar hatte er null Gespür für seine eigene Überflüssigkeit. Doch Thorben triumphierte weiter vor sich hin. Auch Eddas Schweigen war ihm nicht im Mindesten peinlich.
    „Wirklich, du hast die Edda gelesen?“, fragte er erfreut, in der Gewissheit, eine Schwester im Geiste gefunden zu haben.
    Und Edda begriff, dass an der Masse dieses Jungen neben allem anderen auch jede Ironie abprallte. Sie musste noch viel härtere Geschütze auffahren.
    „Halt endlich die Klappe!“, zischte sie Thorben zu. „Was hat die Alte

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