Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt
dem hellen Flammenschein wird jede Kugel todsicher ihr Ziel finden«, erklärte Sean Oxley kalt.
»Also gut, machen wir es so«, sagte Nat O’Connor.
»Kommt, es wird Zeit, dass wir uns draußen postieren«, forderte Sean seine Komplizen auf. »Kann nicht mehr lange dauern bis einer der Chandlers seine Runde geht.«
»Und was wird mit der da?« Nat deutete auf Abby.
»Erst holen wir uns die Flinte und schalten die anderen Chandlers aus!«, sagte Sean scharf. »Und jetzt bewegt euch!«
Die drei Iren schlichen aus dem Geräteschuppen.
Abby hatte dem Gespräch der drei Iren mit wachsendem Entsetzen gelauscht. Sie wollten die ganze Chandler-Familie umbringen, ja, ganz Yulara auslöschen, gnadenlos niederbrennen, mit Mensch und Tier!
Es überforderte ihr Fassungsvermögen, wie jemand so etwas Grausames, Menschenverachtendes tun konnte. Doch diese Verbrecher würden genau das ausführen, was sie besprochen hatten – wenn nicht vorher jemand Alarm schlug und den Überfall verhinderte.
Abby wälzte sich auf dem Boden hin und her und zerrte mit aller Kraft an ihren Fesseln, in der Hoffnung, sie dadurch zu lockern. Doch sie erreichte damit nur, dass sich der Strick noch tiefer in ihre Haut schnitt und sie vor Schmerz erstickt aufschreien ließ.
Doch sie gab nicht auf. Sie dachte an Andrew und Sarah –
und sah sie in ihrem Blut liegen. Nein! Um Gottes willen, nein!
Das durfte nicht geschehen. Sie musste sich befreien. Es musste eine Möglichkeit geben, die Handfesseln zu lösen. Es musste! Nur sie konnte diesen Massenmord, den die drei Iren planten, verhindern.
Tränen der Verzweiflung rannen ihr über das Gesicht, als sie über den Boden rutschte.
»O Herr, steh mir bei! … Steh uns allen bei! … Lass dieses Verbrechen nicht geschehen!«, flehte Abby und kroch auf der Seite liegend auf den Ausgang zu. Wenn sie sich doch nur vom Knebel befreien und schreien könnte!
Sie kam nur langsam voran, viel zu langsam! Die Zeit jagte dahin, und sie hatte noch nicht einmal den halben Weg bis zum Schuppentor geschafft. Und was dann? jeden Augenblick konnte Sean Oxley sein Messer einem ahnungslosen Chandler in den Rücken stoßen – Jonathan, Melvin oder Andrew! Andrew!
Abby strengte sich mit der Kraft der Verzweiflung an. Das Blut rauschte ihr in den Ohren und ihr Körper reagierte gegen die unnatürliche, gekrümmte Haltung mit einem Muskelkrampf. Ihr Schrei hätte sogar Rosanna aus dem Schlaf gerissen, wenn der Knebel ihn nicht erstickt hätte. Und diesmal waren es Tränen des Schmerzes, die sie in der Dunkelheit des Geräteschuppens vergoss.
Sie warf sich herum und ein neuer, scharfer Schmerz ließ sie zusammenzucken. Sie hatte sich am rechten Oberarm geschnitten! Irgendetwas Scharfes hatte ihr Kleid aufgefetzt und ihre Haut durchstochen!
Es war der schönste Schmerz, den Abby sich vorstellen konnte. Hastig drehte sie sich so herum, dass sie mit den Fingern das scharfe Stück Metall abtastete.
Es war ein gut geschliffenes Handbeil, gegen das sie gestoßen war. Heftig rieb sie die Fesseln daran. Mehrmals rutschte sie ab und die Schneide schnitt tief in ihre Handballen und Unterarme. Doch sie spürte die Schmerzen jetzt kaum. Sie scheuerte ihre Hände wie besessen gegen das scharfe Metall. Sie wusste, dass sie in wenigen Augenblicken frei von ihren Fesseln sein würde. Doch würde sie nicht dennoch zu spät kommen? Jede Sekunde, die sie jetzt vergeudete, konnte die Entscheidung über Leben und Tod der Chandler-Familie bedeuten!
Der Strick riss.
Mit blutverschmierten Händen packte Abby das Handbeil und durchtrennte mit einem Hieb die Fesseln an ihren Beinen, die sich ganz taub anfühlten. Dann befreite sie sich vom Knebel. Sie hustete und würgte und kam taumelnd auf die Beine.
Ein Schwindelgefühl packte sie, und fast wäre sie gestürzt, wenn sie nicht Halt am Türpfosten gefunden hätte.
Eine Tür schlug.
»Ich muß weiter … Zum Farmhaus! … Muss sie warnen!«, jagte es ihr durch den Kopf, und sie stieß sich ab, wankte auf das Farmhaus zu.
Ein Mann war auf die vordere Veranda getreten, eine Flinte in der Armbeuge. Abby wusste nicht zu sagen, ob es Jonathan oder einer seiner Söhne war, denn dafür war es unter dem Vordach des Hauses zu dunkel. Und sein Mörder lauerte irgendwo auf dem Hof auf ihn!
Die Angst verlieh ihr die Kraft, ihre Schwäche zu überwinden, und sie rannte, wie sie noch nie in ihrem Leben gerannt war.
»Ein Überfall!«, schrie sie mit gellender Stimme, die sich vor Angst
Weitere Kostenlose Bücher