Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen
edel, so hättet ihr nicht nötig, eure Heiligtümer vor andern zu verbergen!«
Jetzt steckte er das Notizbuch wieder ein und fuhr dann fort:
»Ihr nennt meine kleine Freundin hier noch schlimmer als einen Hund. So etwas sagt kein Held. Ich aber bin einer und darum bin ich höflich, auch gegen euch. Ich werde mit euch kämpfen, aber nicht so, wie es hier bei euch: viele gegen einen, sondern wie es in Jerusalem Sitte ist: Mann gegen Mann. Ihr werdet euch in Löwen, in Elefanten, in Nilpferde und in Walfische verwandeln. Ihr wählt den kühnsten Löwen, den mächtigsten Elefanten, das stärkste Nilpferd und den größten Walfisch unter euch aus. Mit diesen vier Bestien werde ich kämpfen. Wenn einer von euch mich besiegt, so dürft ihr mich ersäufen, nicht aber sie, um die ich kämpfe. Wenn aber ich alle vier besiege, so bekomme ich – – –«
»Hier meine Glockenblumen!« rief Schamah, indem sie das kleine Händchen mit den Blumen hoch emporstreckte.
»Ja, diese deine Glockenblumen,« stimmte Thar bei. »Ihr Hebroniter aber setzt euch jetzt um sie und mich herum, damit ich euch erkläre, was es mit den Löwen, Elefanten, Nilpferden und Walfischen für eine Bewandtnis hat!«
Sie gehorchten sofort und mit Freuden. Es gab für einige Augenblicke ein wirres Kribbeln und Krabbeln in-und durcheinander hinein; dann aber trat tiefe Stiele ein, in welcher nur die erklärende Stimme des Bub zu hören war. Als sie alle begriffen, um was es sich handelte, erhob sich großer Jubel. So etwas war noch niemals dagewesen! Ein jeder drängte sich dazu, zur Bestie zu werden, und inmitten all dieser Ungetüme, die nach Rache strebten, saß Schamah, die Verzeihung, ein friedliches Lächeln im lieben Angesicht und ohne alle Furcht verletzt zu werden. Und sonderbar, nicht nur die Jungen, sondern auch die Alten fühlten sich begeistert. Sie gesellten sich hinzu. Sie wählten mit und sie bestimmten mit. Sie steckten den Kampfplatz ab und Abdullah, der Schreiber des Schech el Belad, hatte sogar die Güte, die Ordnungs-und Sicherheitspolizei in die eigene Hand zu nehmen. Von Glaubenszwist und Glaubenshaß war keine Rede mehr.
Der Kampfplatz bildete ein Viereck, welches nördlich von den Löwen, südlich von den Nilpferden, östlich von den Elefanten und westlich von den Walfischen eingeschlossen wurde. Schamah saß an der Südseite auf ihrem Throne, um alles leicht überschauen zu können. Dieser Thron war Güwerdschina, der Maulesel, die sicherste Stelle, die stehen blieb. In den Ecken saßen die Musikanten, eine Tarabukka 12 , eine Nakara 13 , ein Nefir 14 und eine Suffara 15 . Die waren verpflichtet, den größtmöglichen Lärm zu machen, so oft unser Bub zu Boden gerungen wäre. Denn daß der Sieg sich auf seine Seite neigen könnte, das hielten die Hebroniten für unmöglich. Sie hatten ihre stärksten Burschen ausgesucht. Die Bedingungen waren sehr einfach: Welcher von den drei ersten Bestienarten auf die Erde zu liegen kam, der hatte verloren. Der Kampf der Walfische aber hatte in der Zisterne stattzufinden. Der Sieger mußte seinen Gegner untergetaucht haben und durfte ihm dann noch öffentlich einen ganzen Mund voll Wasser in das Gesicht blasen. Vor Beginn des Kampfes wurden die vier Heroen aus Chalil gefragt, ob sie vielleicht gesonnen seien, von der Wahl zurückzutreten. »Um keinen Preis!« antworteten sie. Da gab Abdullah, der Schreiber, das Zeichen, daß die Zeit des Löwenkampfes gekommen sei. Der Leu aus Hebron trat vor. Es war derselbe große, robuste Junge, der die Rede gehalten hatte. Er machte, als er sämtliche Augen auf sich gerichtet sah, eine sehr zuversichtliche Miene. Thar stand bei uns.
»Paßt auf, wie schnell es geht!« sagte er. »Die Hauptsache ist, daß man dem Feind keine Zeit läßt, sich zu besinnen.«
Dann betrat er den Platz, ging zu Schamah, verbeugte sich vor ihr und stellte sich hierauf dem Feinde gegenüber. Dieses ritterliche Benehmen kannte er jedenfalls aus irgend einem Sagen-oder Märchenbuch. Nun schlug Abdullah die Hände dreimal zusammen. Der Augenblick war da.
Der Gegner zögerte nicht. Er nahm einen Anlauf. Thar ließ ihn fast ganz heran, sprang dann zur Seite, packte ihn von hinten und knickte ihn genau so, wie den alten Eppstein, auf die Erde nieder, hielt ihn dort fest und rief den Musikanten zu:
»Nun macht ihm den Triumph!«
Sie blieben natürlich still. Der Besiegte stand langsam auf und schlich sich gesenkten Hauptes von dannen.
Hierauf folgte der Kampf der Elefanten. Der
Weitere Kostenlose Bücher