Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen
gewohnten Platz auf der Kiste und einen Tschibuk dazu. Dann hätte die Unterhaltung begonnen, wenn uns nicht der Tod der Frau zu früh verraten worden wäre. Die Worte wollten nicht kommen. Glücklicherweise bot uns das Geschäft, welches uns herbeigeführt hatte, einen Notbehelf. Leider hatte Mustafa Bustani keine Sättel im Vorrat liegen, doch bat er uns, morgen wieder zu kommen, er werde inzwischen für die Befriedigung unserer Wünsche sorgen.
Hier störte uns der Käufer, ein Landbewohner aus Aïn Kahrim. Er hatte sein altes Käppchen nebst Kopftuch wieder aufgesetzt und zeigte die gewählten, neuen Sachen vor, einen Fez nebst buntem Turbantuch, deren Preis er wissen wollte. Im Oriente geht selbst ein so unbedeutender Handel nicht sehr schnell von statten; dieses Mal aber gab Mustafa Bustani, um den Mann nur los zu werden, so schnell und so viel im Preise nach, daß der Käufer schleunigst zahlte und sich dann entfernte.
Diese Unterbrechung hatte aber doch die Wirkung, daß das Gespräch nun jetzt mehr Leben gewann. Wir berichteten einander, was während der Zeit, in der wir einander nicht gesehen hatten, auf beiden Seiten geschehen war. Dabei ergriff er fast jede Gelegenheit, auf Thar zurückzukommen und irgend ein Lob über ihn zu sagen. Wir sprachen nicht etwa leise, und so mußte der Bub das also hören. Der hockte beim Neger in der Ecke und schien irgend eine Art von Verwandlung mit sich vorzunehmen, die uns aber zunächst noch zu verborgen war. An Stoffen zu solchen Verwandlungen fehlte es im Laden nicht, wo fast alles nur Denkbare, sowohl Altes wie auch Neues, zu kaufen war. Als er das große Werk mit Hilfe des Negers vollendet hatte, kam er aus der Ecke herbeigeschritten, langsam, stolz und würdevoll, um sich uns vorzustellen. Er hatte sich als Held gekleidet und also höchst wahrscheinlich wieder eine Blutrache auszuüben. Sein Helm bestand aus einem halben tönernen Wasserkrug, wahrscheinlich ausgegraben und dabei zerbrochen. Den Brustpanzer bildete ein blecherner Lampenschirm von der Sorte, die man vertikal vor das Licht zu stellen pflegt. An die nackten Waden hatte er sich zwei alte, riesige Rittersporen gebunden, die sehr wahrscheinlich aus der Zeit der Kreuzzüge stammten. In einem Stricke, welcher den Gürtel bildete, steckten die fürchterlichsten Waffen, die man sich denken kann, nämlich drei Messer, zwei Scheren, zwei Korkzieher und vier Lichtputzen, die rund um den Leib geordnet waren. Außerdem hatte er sich eine Mausfalle und einen Köcher mit Pfeilen und Bogen umgehängt, und die übrige Armatur, die er in den Händen trug, bestand aus einer Sichel, einer Säbelscheide und einem Flintenlauf. Die hierzu gehörige Kriegsbemalung zeigte zwar nur zwei Farben, machte aber ganz genau den Eindruck, auf den sie berechnet war. Der rechte Arm und das linke Bein waren grün bemalt, der linke Arm und das rechne Bein aber blau. Blau waren auch die beiden Backen und die Schnurrbartgegend, das Kinn aber grasgrün. Da konnte man unmöglich ernst bleiben. Wir lachten, und Mustafa Bustani lachte mit.
»Wer bist du denn?« fragte er den Gewappneten.
»Ich bin Gideon, der Held,« antwortete dieser in martialischem Tone, indem et mit allen Waffen rasselte.
»Er nimmt seine Helden stets nur aus dem Alten Testamente,« erklärte uns sein Vater. Und zum Sohn gewendet, fuhr er fort:
»Was hast du als Gideon heute vor?«
»Ich habe die Baalspfaffen zu erschlagen und die Midianiter umzubringen.«
Neues, noch stärkeres Rasseln! Leider war es unmöglich, über diese kühnen Absichten etwas Weiteres zu erfahren, denn die Szene wurde von dem Manne aus Aïn Kahrim unterbrochen, der in diesem Augenblicke nach dem Laden zurückgelaufen kam, und zwar in einer Aufregung, wie sie die Folge nur des höchsten Zornes ist. Er sprach so schnell und so empört, daß man ihn zunächst gar nicht verstand. Man unterschied nur die Worte Fez – Turban – Barbier – Kopf – blau – Seife – Wasser – Scham und Schande! Als wir aber baten, sich zu beruhigen und langsam zu erzählen, tat er es, und so erfuhren wir, daß er von uns aus zum Barbier gegangen war, um wie stets, wenn er sich in der Stadt befinde, nach Haupt und Bart sehen zu lassen, denn diese Reinlichkeit des Hauptes sei von dem Propheten vorgeschrieben. Als er dabei sein Haupt entblößt habe, was eigentlich nur vor dem Barbier, vor keinem andern Menschen geschehen dürfe, hätten alle Anwesenden vor Lachen laut aufgebrüllt, denn das Haupt seines Alters sei
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