Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen
blauen Schädel, hielt mitten im Satze inne, machte Augen, die immer größer und immer glänzender wurden. Das hielt der Blaue für den geeigneten Augenblick loszubrechen und die Missetat nochmals zu berichten. Aber er kam nicht weit damit, denn die Himmelsbläue wirkte auf den General genau so, wie sie auf uns gewirkt hatte; er konnte sich nicht halten und begann zu lachen, und zwar so zu lachen, daß wir andern alle wieder mit einstimmten. Und mitten in dieses Gelächter hinein, was geschah – – –? Da kam der Bub zurückgeritten, ein ganzes Schock von Kindern hinter ihm her. Die Erwachsenen kannten ihn schon; die kümmerten sich schon längst nicht mehr um seine sonderbaren Streiche. Er hielt den Esel genau an derselben Stelle an, auf der er vorher gestanden hatte, stieg ab und kehrte mit demselben Ernste und derselben hoheitsvollen Würde zu uns zurück, wie er uns vorhin verlassen hatte. Das machte einen so unwiderstehlichen Eindruck auf uns alle, daß das Lachen einen Augenblick schwieg, dann aber in doppelter Stärke wieder losbrach und gar nicht enden zu wollen schien. Sogar der Blaue lachte mit, und als er einmal drin war, blieb er am längsten drin; er war der letzte, der zum Aufhören kam. Thar kannte den General auch. Er stellte sich grade vor ihn hin, richtete sich stramm auf und machte genau so ein Honneur, wie er bei Soldaten gesehen hatte, die einem Offizier begegnen. Da fragte ihn der Pascha:
»Du weißt, wer ich bin?«
»Ja,« antwortete der Gefragte.
»Nun, wer?«
»Du bist Benaja, der Feldhauptmann des Königs Salomo!«
»Brav!« lachte der Offizier. »Du bleibst in deiner Rolle! Was aber sind das hier für Waffen?«
Er deutete dabei auf die Scheren, Korkzieher und Lichtputzen. Aber der Bub war nicht aus der Fassung zu bringen. Er hatte unzählige Male dem Munde der Geschichte, der Sage und des Märchens gelauscht und kannte die Vergangenheit Jerusalems besser wie ein deutscher Knabe die Chronik seiner Vaterstadt. Auch war er sich der symbolischen Bedeutung seiner Waffen sehr wohl bewußt. Er antwortete also schnell und ohne sich zu besinnen:
»Das sind die ›Skorpione‹, mit denen der König von Juda seine Leute in die Ohren kniff, wenn sie nicht gehorchen wollten. Und ich bin Gideon, der Held aus dem Stamme Manasse. Ich habe mir dein Streitroß geborgt, weil ich eine Blutrache gegen die Midianiter habe; aber es ist zu dick und hat keinen Atem; darum bin ich wieder umgekehrt, um es dir zurückzubringen. Ich danke dir, aber es ist wirklich nicht zu gebrauchen!«
Er wiederholte das Honneur. Da lachte der Pascha, daß ihm die Tränen in die Augen traten. Er schien überhaupt ein sehr leutseliger Herr zu sein.
Mustafa beeilte sich, diese gute Stimmung für die Straflosigkeit seines Knaben auszunützen.
Er sprach die Bitte aus:
»Verzeih’ ihm, was er tat! Er ist so außerordentlich klug, und so hochbegabt!«
Er erreichte genau das Gegenteil von dem, was er beabsichtigt hatte. Das Gesicht des Pascha wurde im Nu wieder ernst, fast drohend. »Von Straflosigkeit kann keine Rede sein,« sagte er; »dein Sohn hat doppelt gesündigt, an mir und an diesem da.« Dabei deutete er auf den Mann von Aïn Kahrim. Dann fuhr er fort: »Und damit er nicht etwa Lohn statt Strafe erntet, werde ich die Züchtigung in meine eigenen Hände nehmen. Ist ein Stock vorhanden, der sich für solche Zwecke eignet?«
Der Neger, der diese Frage hörte, brachte aus seiner Ecke ein dünnes, knotiges Spazierstöckchen herbei, welches allerdings sehr gut zu jenen erziehlichen Prozeduren zu verwenden war, von denen die Jugend lieber zu schweigen, statt zu reden pflegt. Der General nahm das Rohr, schwippte es zur Probe einige Mal hin und her und auf und ab, nickte befriedigt mit dem Kopfe, blinzelte den Blauen verschmitzt von der Seite an und fragte ihn:
»Du bist doch damit einverstanden, daß der Sünder verurteilt wird?«
»Ja,« nickte und antwortete der Gefragte schnell.
»Soll ich das Urteil auch gleich in deinem Namen mitsprechen?«
»Ja.«
»Und in deinem Namen auch gleich mit ausführen?«
»Ja.«
»Wohlan, so soll er zehn Streiche erhalten, fünf für mich und fünf für dich, und zwar von meiner eigenen Hand!«
»Ist das nicht zu wenig?« fragte der Mann enttäuscht.
»Nein, es ist nicht zu wenig, sondern grad viel genug!« antwortete der Bub.
»Du hast zu schweigen!« fuhr ihn der Blaue an.
»Wer bekommt die Prügel? Ich oder du?«
»Du!«
»So kannst doch du nicht fühlen, ob es zu wenig
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