Abendfrieden
bezwang sich. »Ich dachte, du würdest dich heute etwas anders kleiden.«
»Wieso, was soll daran verkehrt sein? – Finden Sie das auch, Laura?«
Laura lächelte beschwichtigend und schaute ihren Lebensgefährten an. »Bitte sei meiner Mutter behilflich. So können wir nicht losfahren.«
»Gern. Kommen Sie, Frau Danzik, dann wollen wir mal was Superschickes aussuchen.« Laura bewegte sich zum Schlafzimmer. Gerda Danzik hob protestierend den Arm, aber dann brummte sie nur ein »Na gut« und folgte.
Tatsächlich fanden sich ein dunkelblaues Kostüm mit angesteckter Goldbrosche und ein schwarzer Popelinemantel, die Schuhe waren alle klobig, das musste man in Kauf nehmen.
Werner Danzik sah seine Mutter mit zusammengekniffenen Augen an. »Gut, dann können wir«, entschied er.
Gerda Danzik drängte wie in einem Wettlauf zum Beifahrersitz, aber der Sohn schob die alte Frau in den Fond. »Ich muss Laura den Weg zeigen.«
Laura griente ein wenig, denn sie kannte den Weg. Sie fuhren Richtung Bramfeld und bogen in Sasel in die Stadtbahnstraße ein. Kurz hinter dem Traditionsrestaurant ›Randel‹ erstreckte sich in mehreren, durch Glasgänge verbundenen hellen Häusern die Senioren-Anlage ›Parkresidenz Alstertal‹.
Der gläsern überwölbte Eingang wurde von diversen Blumenrabatten flankiert, drinnen, im Foyer, setzte sich die Begrünung mit Fächerpalmen, Ficus Benjamini und anderen hochgewachsenen Pflanzen fort.
Gerda Danzik blieb auf dem feingemusterten aprikosenfarbenen Veloursboden stehen und blickte zum Empfang hinüber, von wo ihnen ein untersetzter älterer Mann freundlich entgegenschaute. »Das ist ja wie im Hotel! Guck mal, Werner, die vielen Bilder. Das ist ja die reinste Galerie. Und diese Beleuchtung.« Sie starrte zur Decke, wo ein Sternenhimmel aus Halogen-Lämpchen indirektes Licht verbreitete. »Wirklich nobel. Gefällt mir.« Werner Danzik ließ seinen Blick zu einem Erker mit schilfgrünen und rötlich-gelben Korbmöbeln gleiten, in denen, alle in gleicher Richtung, eine Reihe alter Leute saßen. Einige von ihnen hingen mit offenem Mund oder bereits eingenickt in Rollstühlen. Plötzlich setzte Klavierspiel ein. Und nun wurde auch klar, wohin die alten Menschen schauten. Verborgen hinter Palmen stand ein Klavier, das eine junge Frau im kurzen schwarzen Rock mit Verve bediente. »Du hast Glück bei den Frau’n, bel ami …«
»Oh, lala.« Danzik begann, mitzusummen. »Von halb vier bis halb sechs. Jeden Sonntag«, erklärte Laura. »Ist im Preis inbegriffen. – Dann gehen wir mal rüber. Meine Eltern warten sicher schon.«
Sie wandte sich nach links, wo hinter Palmen und Hydrokulturen das hauseigene Café lag. Auch hier das gleiche Wintergarten-Ambiente mit Korbmöbeln, konsequent gestylt in Schilf und Aprikose. Durch die großen Glasfronten sah man auf eine Terrasse, bestückt mit Eisenmöbeln, und auf einen parkähnlichen Garten, in dessen Mitte ein kleiner Teich blinkte. »Nicht schlecht«, bemerkte Danzik. »Von drinnen bis draußen eine lauschige Oase.«
Lauras Eltern hatten sich von ihrem Fenstertisch erhoben und kamen den dreien ein paar Schritte entgegen. »Wir haben Werners Mutter mitgebracht.« Lauras Fröhlichkeit wirkte etwas forciert. »Darf ich bekannt machen …«
Alle setzten sich. Beide, Lauras Mutter und ihr Vater, lächelten ungezwungen. Absolut weltläufig, konstatierte Danzik. Sie würden in jedem Fall Contenance bewahren, selbst wenn seine Mutter in Pennerklamotten gekommen wäre. Auch hier in ihrem Zuhause hatten sie ein stadtfeines Outfit angelegt. Stella Bonnier, klein und zierlich, trug zu ihrer goldblonden Fönfrisur ein pistaziengrünes Chanel-Kostüm, die Halsfalten kaschierte ein mehrreihiges Goldcollier.
Carl Ludwig Bonnier war wesentlich größer, der Rücken stark gebeugt, was wohl mehr an seinem Beruf als ehemaliger Zahnarzt als an seinem Alter lag. Mit seiner markanten, edlen Nase, dem Bärtchen darunter und dem anthrazitgrauen Westenanzug sah er aus wie der sprichwörtliche Gentleman. Oder, noch treffender, wie ein Chevalier, denn er stammte aus einer Hugenottenfamilie. Beide Bonniers waren achtzig. Sogar älter als meine Mutter, dachte Danzik. Wenn man das mal vergleicht … »Schön haben Sie’s hier«, sagte Gerda Danzik. »Aber sicher sehr teuer, oder?«
Danzik zuckte zusammen. Sie würde doch nicht nach Beträgen fragen … »Ja.« Stella Bonnier lächelte. »Aber wir sind sehr zufrieden. Nicht wahr, Carl?« Sie glitzerte ihren Mann von unten
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