Abendfrieden
das alles gar nicht –«
Die Kommissare verzogen das Gesicht. Tee, immer wieder Tee, dachte Danzik. Vielleicht ist auch der Mörder noch Teetrinker. »Ja, da trinken wir gern einen mit«, sagte Danzik.
Isabel Ackermann ging schwingend zur Küche, sie trug noch immer High heels und ihre Studio-Kleidung, einen khakifarbenen Overall, der trotz seines lässigen Schnitts ihre überfemininen Konturen erkennen ließ.
Ein pralles Sexpaket, dachte Danzik. Aber eine Spur zu ordinär oder vulgär. Oder eher halbseiden? Nein, das war auch nicht das richtige Wort. Ordinär. Wenn sich der Sex aufdrängte, anbot wie ein billiges Parfüm. Dagegen Laura. Ihr kühl-lasziver Sex, der lockte, aber immer etwas unerreichbar blieb. Eine Erotik wie bei der jungen Bacall. Kannten die Jüngeren diese Schauspielerin noch? Er blickte zu Tügel. »Ganz schön Kohle«, sagte Tügel. Er drückte sein Gewicht auf den schweren sienaroten Polstersessel und ließ seinen Blick von den ockerfarbenen Wänden über einen Flachbildschirm und einen Hifi-Turm bis zu einem gläsernen Zeichentisch schweifen, der das Zentrum im angrenzenden, durch Schiebetüren geöffneten Arbeitsraum bildete. »Nur kein Neid.« Preis einer unabhängigen, einsamen Single-Existenz, dachte Danzik. Vier Altbau-Zimmer für sich allein … Oder lag er da falsch?»Der muss noch ein bisschen ziehen«, sagte Isabel Ackermann und stellte eine futuristisch geschwungene Kanne aufs Stövchen. Sie setzte sich auf ein sienarotes Sofa und warf ihre rötlich schimmernden dunklen Locken zurück. »Was möchten Sie nun wissen?«
Tügel zog das Protokoll zu Anja Holthusens Befragung aus dem Jackett. Während er auf das Blatt sah, bat er sie, den Hergang lückenlos zu schildern.
Die Ackermann kreuzte die Beine. »Um halb zwölf haben wir uns im ›Petit Café‹ getroffen. Es ist dort immer knackevoll, eigentlich gab es keinen Platz mehr, aber wenn man prominent ist, hat man natürlich kein Problem …«
Nach ihrem Bericht sah Tügel etwas erschöpft aus. Wenn man von den eitlen Ausschmückungen der Architektin absah, stimmte jedoch alles minutiös mit der Schilderung ihrer Freundin überein. »Sie wissen, dass wir Sie unter Eid nehmen können?«
»Jaaa.« Isabel Ackermann drehte ihre Augen nach oben. »Wie war Anja Holthusens Verhältnis zu ihrer Schwiegermutter?«, fragte Danzik. »Ich nehme an, Sie als ihre engste Freundin können uns da Auskunft geben.«
Isabel Ackermann ließ das ›engste Freundin‹ unwidersprochen. »Es war furchtbar. Die Hölle, ein Albtraum. Ich weiß gar nicht, was ich da noch für Worte finden könnte.«
»Also nicht nur diese normalen Spannungen, wie sie zwischen Schwiegermüttern und Schwiegertöchtern üblich sind?«
»Nein, die Hölle. Anja hat tierisch gelitten. Ich meine, es ist ja an sich schon pervers, wenn jemand aus der alten Generation mit einem jüngeren Paar in ein und derselben Wohnung lebt. Also, ich für mein Teil würde noch nicht mal einen Mann hier herein lassen. Und wenn es mal einer geschafft hat, dann war er aber auch ruckzuck wieder draußen. Ich finde, Männer sollte man nur mal so zwischendurch –«
»Ja«, lächelte Danzik. »Aber was hatte Anja Holthusen denn nun zu erleiden?«
»Ja, wo soll ich da anfangen? Diese Alte –« Die Architektin schüttelte sich wie bei einer zu bitteren Medizin. »Die alte Holthusen hat alles, was Anja im Haushalt gemacht hat, kritisiert. Meist hat sie nur überheblich-vornehm getan und pikiert auf einen Teerand in der Tasse gezeigt –«
Dieser Tee verfolgt mich, dachte Danzik. »– Sie quälte quasi mit Nadelstichen. Sagte zu ihrem Sohn, während Anja dabei war: Mein Gott, bist du dünn geworden. Kein Wunder, wenn einem die eigene Ehefrau nichts Richtiges zu essen gibt. Oder: Mit diesem zerknitterten Hemd willst du ins Kontor gehen? Das ist ja schon geschäftsschädigend, was deine Frau da macht.«
»Und wie reagierte der Sohn?«
»Gar nicht. Ging einfach weg. Also, wenn ich ein solches Weichei hätte, da wäre ich schon längst auf und davon.«
»Aber Anja Holthusen konnte sich nicht lösen.«
»Nein, konnte sie nicht. Erst hat die alte Holthusen sie praktisch bei der Kindererziehung entmündigt, und später, als Bettine im Internat war, wurde Anja dann endgültig zum Fußabtreter.«
»Woher kam dieser Hass?«, fragte Danzik. »So was macht ein Mensch doch nicht ohne Grund.«
»Bin ich Psychologin? Ich nehme an, es lag an ihrer verkorksten Ehe. Sie hat wohl ihren Frust auf Anja
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