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Abendfrieden

Abendfrieden

Titel: Abendfrieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Buttler
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könne jederzeit ein Angriff von ihm kommen. »Was willst du?«
    »Ja, was will ich?« Dieter Mewes schaukelte weiter am Geländer hin und her. In seinem zugewachsenen Gesicht versteckten sich trübe Augen, die noch sichtbare Haut war gelb. Er trug eine verfleckte giftgrüne Windjacke und eingerissene Jeans, was angesichts seiner Verwahrlosung keineswegs als Mode durchgehen konnte. Er blies ihr seinen biergeschwängerten Atem entgegen. »Von dir jedenfalls nichts, du kleine hässliche Schnecke.«
    »Regine, was ist da los?« Aus dem hinteren Zimmer blaffte wieder die Stimme. Wer es nicht wusste, hätte sie für eine Männerstimme halten können.
    »Ah, mein liebes Mütterchen. Also immer noch unter den Lebenden. Na, Schnecke, willst du mich nicht hineingeleiten?«
    Dieter Mewes sah Regine herausfordernd an. Sie hatte sich inzwischen gefasst. Mochte er doch herumpoltern und sie beschimpfen, wie er wollte. Sie fühlte nur Ekel und den dringenden Wunsch, aus seinem unappetitlichen Dunstkreis herauszukommen. Sie schob sich an ihm vorbei, während er an die Wand griff und hinter ihr herschwankte.
    Regine öffnete die Tür zum Zimmer ihrer Schwiegermutter. »Du hast Besuch.« Bei gedrosseltem Atem ließ sie Amalies ältesten Sohn an sich vorbei und ging in die Küche.
    Dieter Mewes blieb wippend auf der Türschwelle stehen. Seine Mutter saß im Rollstuhl, schwer und formlos, ein kalter Block, der fast das ganze Zimmer einzunehmen schien. Aus der Kolosshaftigkeit stachen grau und sezierend ihre Augen heraus. Sie sah ihn an, durchdringend und ohne Wimpernschlag, und da wusste er, dass er bereits verloren hatte. Aber er gab nicht auf, er würde den Kampf aufnehmen. Warum sagte sie nichts?»Hallo! Ich wollte mal wieder – wie geht’s dir denn?«
    Amalies Blick änderte sich minimal, von Gefühllosigkeit zu Verachtung. »Was willst du?«
    Er stolperte nach vorn. »War lange nicht hier. Wie gesagt, ich wollte mal wieder – dir geht’s besser, oder? Du siehst gut aus.«
    Amalie Mewes verschränkte die Arme über dem Bauch und sah ihn unverwandt an.
    Dieter Mewes blickte in alle Richtungen. Erst nahm er gar nichts wahr. Die macht mich fertig, dachte er. Aber dann riss er sich zusammen. Ein Krankenhausbett, ein Gehwagen, zusätzlich Krücken, ein Nachtstuhl. Mein Gott, was das alles kostete. Er hatte gehört, dass sie auch eine Pflegerin eingestellt hatten. Die täglich kam und das mehrmals am Tag. Warum konnte das die Schnecke nicht allein übernehmen? Scheiße! Die Tausender seiner Alten verschlang der Pflegedienst. Ein gefräßiger Drache, der schluckte und schluckte … »Kann ich mich irgendwo hinsetzen?«
    Amalie Mewes wies schweigend auf einen weit genug entfernten Stuhl. Das ist gut, dachte er. Wenn ich ihr zu nahe komme, spuckt sie noch Feuer aus. Aber konnte ein Eisblock Feuer spucken?
    Er blickte unsicher zu ihr hinüber. »Ich höre«, sagte sie.
    »Was meinst du damit?«
    Amalie Mewes’ farblose Brauen zogen sich zusammen. »Früher hast du deine Schmutzwäsche hier abgeladen. Nachdem du dich offensichtlich nicht mehr wäschst, steht jetzt was anderes auf dem Programm. Also: Wie viel Geld brauchst du?«
    »Ich – ich –«
    »Hat’s dir die Sprache verschlagen?«
    Dieter Mewes ließ seine Hände umeinander kreisen. Seine Haut hatte sich gerötet. »Du weißt, was mit mir ist. Ich bin arbeitslos. Ich muss in die Suppenküche gehen.«
    »Na, na. – Warum bist du denn deinen Job als Automechaniker losgeworden? Weil du dich nicht einfügen konntest. Wenn ich daran denke, wie mein Vater – ach!« Sie winkte ab, als sei er weiterer Erörterungen nicht wert.
    »Scheißjob. Das hat doch sowieso keine Zukunft. Die Händler sind ja selber pleite. Aber eurem Nobby, dem habt ihr alles in den Arsch gesteckt. Geophysiker! Wenn ihr mir auch so eine Ausbildung –«
    Nein, es hätte ja nichts genützt. Er war und blieb ein Ausgestoßener. Unehelich. Eine Tante hatte ihm erzählt, dass seine Mutter während der Schwangerschaft immer wieder wie eine Verrückte von einer Kommode gesprungen war. Aber er hatte es überlebt. Sein leiblicher Professoren-Vater vergnügte sich inzwischen mit seiner dritten Frau und dachte gar nicht daran, ihm von seinem Wohlstand etwas abzugeben.
    »Wir wollen hier nicht über deine mangelnden Fähigkeiten debattieren. Also: Wie viel?«
    »Es geht mir nicht darum, aus dir ein paar Hunderter herauszuleiern.«
    »Ach nee.«
    »Ich habe in der Zeitung gelesen, dass ein Erbe auch vorzeitig ausgezahlt

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