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Abendfrieden

Abendfrieden

Titel: Abendfrieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Buttler
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Danzik seufzte. »Na, hoffentlich kommen wir mit deinen Tarot-Kundinnen weiter.«
    »Bestimmt, Chef.«
    »So, und jetzt lassen wir mal die Tarot-Spur. Ich war inzwischen bei der Bank und hab mich nach den finanziellen Verhältnissen der Holthusens erkundigt. Und da wirst du staunen: Die Firma Holthusen steht kurz vor der Insolvenz!«
    »Nein!«
    »Doch. In der Speicherstadt wurden die Mieten erhöht, der Teeabsatz geht zurück, und sie mussten deshalb schon Mitarbeiter entlassen.«
    »Ich denke, Tee, Hamburg und anglophil sein, das gehört zusammen.«
    »Falsch gedacht. Wo gehst du hin, wenn du dich kurz entspannen willst? Etwa in eine Teestube?«
    Torsten Tügel drehte an seinem Ohrring. »Ich kenn keine. Außerdem trinke ich keinen Tee.«
    »Eben. Wo gehst du also hin?«
    »In einen Coffeeshop.«
    »Richtig. Du trinkst da deinen Latte macchiato, und das nennt sich Lifestyle. Wer ist denn der wirkliche König in Hamburg? Nicht der Teekönig, sondern der Kaffeekönig, Darboven.«
    »Erstaunlich.« Torsten Tügel griff unwillkürlich nach seiner Kaffeetasse. »Aber die Gesundheitswelle, der ganze Meditationskram? Grüner Tee, Rooibustee und wie das alles heißt?«
    »Offensichtlich eine zu kleine Käuferschicht. Der Normalbürger trinkt Kaffee. Und die Youngsters auch. Schau dir die Coffeeshops mit ihren diversen Trend-Kreationen an. Früher gab’s ja überall die Witthüs-Teestuben …« Danzik winkte ab. »Na, das kennst du nicht mehr.«
    »Und was heißt das nun für unseren Mordfall?«
    »Ganz einfach. Dass der Alte ein Motiv hat. Dramatische Finanznot, der letzte mörderische Ausweg, um sich vor dem Ruin zu retten.«
    Tügel kaute zweifelnd an seinem Stift.
    »Das ist doch ganz klar. Durch den Tod seiner Frau hat er jetzt ihr Privatvermögen von zwei Millionen geerbt. Außerdem noch eine Million aus der Lebensversicherung, die er auf sie abgeschlossen hat.«
    »Wow!«
    »Ja, wow. Um nicht zu sagen cool.« Danzik hatte sich in gute Stimmung geredet und haute energiegeladen auf den Tisch. »Wir werden den alten Holthusen überwachen lassen. Und heute Abend gehen wir erst mal zur Vernissage. In die Singer-Galerie. Da werden nämlich posthum die neuen Blumenbilder der Ermordeten gezeigt. Da werden wir mal einiges durchleuchten. Die Galeristen-Ehefrau, die seinerzeit mit der Hundeleine auf Elisabeth Holthusen eingedroschen hat, sollten wir unbedingt kennen lernen.«
    »Heute Abend«, sagte Torsten Tügel gedehnt.
    »Ja, 19 Uhr. Ist irgendwas?«
    »Ich habe mich mit Britta in der Tapas-Bar in Eppendorf verabredet.«
    Danzik lächelte. »Hieß sie nicht Sandra?«
    Tügel errötete leicht. »Nein, ich bin wieder mit Britta zusammen.«
    * * *
    Die Galerie »Flower Art« residierte in einem weißen Patrizierhaus in der Magdalenenstraße. In Pöseldorf, dem feinen Viertel, in dem Jil Sander einst ihr Modeimperium gegründet und Antiquitätenhändler Eduard Brinkama seinen architektonischen Ehrgeiz mit Renovierungen ausgetobt hatte. Die vielen Galerien waren immer noch hier, nun aber leise, fast inexistent, und medienwirksame, mit Paradiesvögeln bestückte Ausstellungseröffnungen tauchten nur noch selten in der Gesellschaftsspalte des »Hamburger Abendblattes« auf. »Flower Art« war da eine Ausnahme. Die Blumenbilder, auf die sich der ebenso »schöne« wie geschäftstüchtige Erik Singer spezialisiert hatte, verkauften sich wie von selbst. Der Trick: keine Hausfrauen-Stümpereien aber auch keine hohe Kunst. Ein Niveau dazwischen, das Elisabeth Holthusen meisterhaft bedient und sie zur Zugnummer der Galerie gemacht hatte. Romantik-Bilder mit einem Hauch Patina, ohne den Glanzlack heutiger Ölgemälde, gemalt nach Art der alten dänischen Schule und dennoch zeitgemäß. Das kam an.
    Danzik und Tügel schoben sich durch die Massen hereindrängender Besucher in den Ausstellungsraum. In ihr Blickfeld gerieten mattgolden tapezierte Wände, darauf, nur bruchstückhaft zu sehen, die Blumenbilder der Verstorbenen. In einer Ecke bearbeitete ein junger Klavierspieler mit routinierter Melancholie die Tasten. Chopin, stellte Danzik fest, dem Anlass also angemessen. Schließlich war eine Tote zu ehren, eine gerade Ermordete, um genau zu sein. Bei der Kleidung des Publikums dominierte wie immer rabenschwarzer Minimalismus, was zu dem Trauerfall sogar passte. Eine lüsterne Unruhe lag in der Luft, Köpfe drehten sich unaufhörlich hin und her, als warte man, dass gleich etwas Sensationelles passieren würde.
    Danzik und Tügel standen

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