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Abendfrieden

Abendfrieden

Titel: Abendfrieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Buttler
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Tasse sogar runterfallen …
    In dem Moment klingelte es. Thomas eilte zur Haustür und kam mit einer dezent gestylten Dame zurück. Ein Make-up, das noch natürlicher als die Natur wirkte, schwarzes Kostüm und weiße Stehkragen-Bluse. Sie war zirka 45, aber die gesamte Erscheinung inklusive Formwelle sollte eher Mitte fünfzig suggerieren.
    Henri Holthusen erhob sich. »Frau Böhme? Holthusen. Bitte nehmen Sie doch Platz. Das heißt – gehen wir lieber zum Esstisch rüber. Ihre Unterlagen sind ja ziemlich umfangreich.«
    »Danke.« Frau Böhme nickte mit fast nicht wahrnehmbarem Lächeln vom Senior zum Junior und dann zu Anja.
    Während sie ihre Mappen ausbreitete, zogen sich rechts und links von ihr die Holthusens einen Stuhl heran. Anja wechselte vom Sessel zum Sofa, von wo aus sie einen besseren Überblick hatte, und wagte es endlich, nach ihrer Teetasse zu greifen. Sie senkte die Lider, atmete fast nicht mehr, das Gehör auf vollen Empfang gestellt.
    Frau Böhme schlug die Klarsicht-Blätter der ersten Mappe um. »Schön, schön«, murmelte Henri Holthusen, als sie mit dem rosa lackierten Fingernagel auf einen Mahagoni-Sarg mit Golddekor zeigte. »Weiter.«
    Die Bestatterin blätterte und blätterte. »Stopp!«, sagte der Senior, als nun ein Kiefernsarg ins Bild kam.
    »Das wäre doch was, schlicht und erhaben, ohne diesen ganzen aufwändigen Schnickschnack.«
    Thomas Holthusen fuhr in die Senkrechte. »Aber, Vater! Das ist ja wohl nicht dein Ernst. Ein Kiefernsarg!«
    »Warum nicht?« Der Senior stellte sich dumm.
    Der Sohn schwieg empört. Dann sagte er, noch immer mit bebender Unterlippe: »Bedenke bitte, dass der aufgebahrte Sarg auch von unseren sämtlichen Geschäftspartnern in Augenschein genommen wird.«
    »Hmm.«
    Frau Böhme hatte profischnell einen Eichensarg aufgeschlagen und offerierte ihn mit einem charmanten »Wie wäre es damit?«
    »In Ordnung«, murrte der Alte.
    Die nächste Mappe zeigte Blumen-Arrangements vom Feldblumenstrauß bis zur alabasterweißen Rosen-Lilien-Kaskade, unter der das Holz des Sarges kaum noch zu sehen war. »Rosen!«, sagte Thomas Holthusen. »Das waren die Lieblingsblumen meiner Mutter. Sie hat sie wieder und wieder gemalt.«
    »Ich weiß.« Frau Böhme lächelte fein. Sie wandte sich wieder Henri Holthusen zu.
    Der zuckte mit den Schultern. »Dieses«, sagte Thomas Holthusen und zeigte auf das Wasserfall-Dekor.
    Danach wurden noch Kerzen, Lieder und die Texte der Traueranzeigen besprochen. »Wir übernehmen alles«, sagte die Bestatterin. »Sie brauchen sich um nichts zu kümmern.«
    »Gut.« Henri Holthusen reckte seinen Rücken, als habe er zu lange gesessen. »Auf wie viel kommen wir dann insgesamt? Bei der Version mit Eiche, Rosen für den ganzen Raum –«
    »Moment.« Frau Böhme betätigte einen Taschenrechner. »Das wären dann insgesamt …«
    Zu dumm, dachte Anja. Die Bestatterin hatte sich Holthusens leiser gewordener Stimme angepasst und ihre Stimme gedämpft. Nun war ihr die Summe entgangen. Na egal, ich bezahle es ja nicht. Und selbst wenn die Firma nicht so gut lief … sie, Anja, brauchte sich ja wohl keine Sorgen zu machen. Elisabeth Holthusen hatte ihren geliebten Sohn sicher ausreichend bedacht. Ihren Sohn-Ehemann, dachte Anja beinahe ironisch, so viel habe ich bei meiner Therapie immerhin gelernt. Aber jetzt war es aus mit der inzestuösen Partnerschaft, endlich würde sie Thomas ganz für sich gewinnen.
    In diesem Augenblick klingelte das Telefon. »Ja, ist in Ordnung«, sagte Anja Holthusen. Sie fühlte, wie ihr eine monströse Faust in den Magen schlug, ihr Blick vernebelte sich, und sie musste sich setzen.
    Drei Augenpaare blickten zu ihr hinüber. »Nichts Besonderes«, presste Anja Holthusen hervor. Dass Hauptkommissar Danzik sie aufs Präsidium geladen hatte, behielt sie lieber für sich, wer weiß, was die sonst für Schlüsse zogen.
    Sie nickte der Bestatterin ein »Auf Wiedersehen« zu und ging schwerfällig hinaus. Oben im Schlafzimmer öffnete sie den Schrank. Unter den Handtüchern, die schon wieder durcheinander lagen, zog sie den Flachmann hervor. Mechanisch stapelte sie die Wäsche gerade. Dann huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Nein, es konnte sie niemand mehr kontrollieren. Ihre Schwiegermutter war doch tot. Wirklich und wahrhaftig tot.

15
    Regine Mewes hatte sich wieder für das ›Neroniane‹ entschieden. Eigentlich merkwürdig, dachte sie, dass ein Hotelbesitzer einen Namen wählte, der an den blutrünstigen römischen

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