Abendfrieden
Polizei hier? Man sagte mir, es handle sich um einen Brand –«
»Richtig. Um einen Brand. Dessen Ursache wir zu ermitteln haben. Vielleicht können Sie uns ja bei der Aufklärung etwas helfen?«
»Ich? Ich war doch gar nicht dabei.«
Danzik lächelte. »Das sehen wir. Aber sicher können Sie uns etwas über die Gewohnheiten Ihrer Mutter berichten.«
»Ich weiß nicht …« Norbert Mewes strich sich hektisch eine dunkle Strähne aus der Stirn. »Ja, wir verstehen das, Herr Mewes.« Danzik legte dem augenscheinlich verstörten Mann eine Hand auf den Arm. »Sie stehen noch unter Schock. Wir werden Sie später im Präsidium befragen. Jetzt wollen Sie sicher erst mal zu Ihrer Mutter ins Krankenhaus fahren.«
Norbert Mewes blickte zu der rußigen Fassade hinüber. Die Feuerwehrleute hatten inzwischen die Flammen niedergekämpft, aber noch drangen rauchige Schwaden aus den Fenstern, und jeder konnte sich vorstellen, dass die Verwüstungen, nicht zuletzt durch das Löschwasser, immens sein mussten. »Und was ist mit unserer Wohnung?«
»Wir haben schon mit Ihrer Tante gesprochen. Sie hat sich natürlich Sorgen gemacht und will Sie solange, bis alles wieder in Ordnung ist, bei sich aufnehmen.«
»Ihre Frau ist verreist?«, schaltete sich Tügel ein. »Ja.« Norbert Mewes sagte nichts mehr, jedes weitere Wort schien ihn plötzlich zu erschöpfen. »Und wann kommt sie zurück?«
»In einer Woche.«
Die Kommissare sahen ihm nach, wie er davonschlich, den Trench wie schutzsuchend um sich gezogen.
Inzwischen waren die Bewohner aus den oberen Stockwerken, ein Mann in mittleren Jahren und eine junge Frau mit zwei Kindern, von Verwandten abgeholt worden, und das Polizeiteam konnte endlich die verqualmte Wohnung der Familie Mewes besichtigen. Die Menschenmenge löste sich auf.
Danzik und Tügel standen vor neuen Fragen: Wie war es zu dem Brand gekommen? Würde Amalie Mewes diesen Unfall überleben? Oder war es gar kein Unfall?
* * *
Nein, sie würde nie wieder Theaterkarten besorgen, hatte Laura gesagt. Das sei nun das allerletzte Mal gewesen. Ewig dieses Zurückgeben, das sei ja schon langsam peinlich. Danzik seufzte, aber er lächelte dabei. Nein, geschimpft hatte Laura nicht, das war nicht ihre Art, dieser nörgelnd-schrille Ehefrauen-Ton. Aber eine leicht resignierte Frustration hatte er schon herausgehört. Seine Ex war in solchen Fällen einfach abgezischt, und damit hatte sich’s. Aber Laura wollte – und das machte ihn glücklich – etwas mit ihm gemeinsam erleben. Theaterbesuche schienen für Kommissare jedoch nicht vorgesehen zu sein. Mit Mühe hatte sie noch Restkarten für den »Tod des Handlungsreisenden« bekommen. Mit Uwe Friedrichsen. Und dann alles retour. »Macht nichts, das ist doch ein recht unerfreuliches Stück«, hatte er dummerweise gesagt. Beim nächsten und nun letzten Mal hatte sie ihm strahlend die Karten zu »Liebe zu viert« hingelegt. Mit Anita Kupsch und Peer Schmidt. »Mit Lachgarantie«, hatte sie gesagt, »du hast ja sonst nichts zu lachen.« Und wieder retour. Morde suchen sich eben nicht nur die Tagesstunden aus.
Als Kommissar hatte man bei Frauen ständig etwas gutzumachen. Und so saßen er und Laura am Sonntagmittag beim Brunch. Ganz feudal in der sanftgrün gestylten Orangerie des Hotels »Interconti«. Durch die Rundum-Verglasung ging der Blick auf die sonnig blinkende Alster, auf kleine weiße Dampfer, die schnell das Wasser zerteilten, im Hintergrund die Silhouette der kupfergrün bedachten Prachtbauten. »Schön«, sagte Laura und sah von der Alster wieder auf den langen Büffet-Tisch. »Das war eine gute Idee.«
»Finde ich auch.«
Werner Danzik bestrich langsam das knusprige Brötchen und träufelte Himbeermarmelade auf die Butter. Ausführlich zu frühstücken mit all den mehr oder weniger ungesunden Leckereien, die man sich sonst verkniff, gehörte zu den schönsten Seiten des Lebens. – »Gute Luft hier.«
»Ja, nur ein einziger Raucher. Hinten in der Ecke.«
»Rauch habe ich jetzt wirklich genug gehabt. Der Brand in der Parkallee –«
»Glaubst du, dass das ein Mordfall ist?«
»Schwer zu sagen, die Ergebnisse stehen noch aus.«
Laura griff abwechselnd zur Kaffeetasse und zu einem Glas mit Blutorangensaft. »Hmm, köstlich. – Aber an Mord denkst du doch immer, oder?«
Danzik verzog den Mund. »Klar, immer mit Witterung in der Nase und dem Bösen auf der Spur. Das ist nun mal berufsbedingt.«
»Brände in Zusammenhang mit alten Leuten sind ja wirklich
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