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Abendland

Abendland

Titel: Abendland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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nicht an – war mir lieber so. Also hinterlegte ich ein Kuvert für ihn, darin waren hundertzwanzig Dollar und ein in die Maschine getippter Brief:
     
    Lieber Mr. Zukrowski,
    Danke für Ihre Mühe. 100 Dollar sind für das Holz. Ich hoffe, das genügt. Die 20 Dollar sind, wie vereinbart, für den Hund.
    Freundliche Grüße
    Sebastian Lukasser
    Am folgenden Tag fuhr ich noch einmal zum Büro. Er war wieder nicht da. Die Sekretärin versicherte mir, daß sie das Kuvert an Mr. Zukrowski weitergegeben habe. Damit war die Sache für mich erledigt.
    Der Winter brachte tatsächlich Unmassen an Schnee. Erst Schnee und dann Temperaturen bis minus dreißig Grad – was beim ersten wolkenlosen Morgen ein Panoramawunder aus Blau und Weiß vor Sukas und meinen Augen erstehen ließ (täuschte ich mich, oder war in ihrem Gesicht tatsächlich Entzücken; daß mein Hund also einen Sinn für Ästhetik besaß?), aber fatale Folgen hatte, nämlich erstens: Der Toyota war eingeschneit, so daß nichts mehr von ihm zu sehen war als ein weißer Hügel, der seine Konturen gerade noch erahnen ließ. Ich schaufelte ihn frei – nachdem ich mich mühsam zu ihm durchgeschaufelt hatte. Die zweite fatale Sache: Er sprang nicht an; es war zu kalt. Aber was hätte er mir genützt? Selbstverständlich wurde der Weg zu meinem Haus nicht geräumt, vom wem auch. Bis zur Interstate waren es etwa zwei Meilen. Es war vollkommen unmöglich, mich bis dorthin zu Fuß durch den Schnee zu kämpfen – um vielleicht ein Auto anzuhalten. Auf einen Wärmeeinbruch wie in den Alpen konnte ich hier nicht hoffen. Einen halben Tag lang verbrachte ich in der Angst, bis ins Frühjahr hier eingeschneit zu sein. Erfrieren würden Suka und ich nicht, aber verhungern. Dann kam Rettung.
    Rettung in Form meines selbsternannten Schutzengels. Im verglasten Führerhaus am Steuer einer riesigen Schneeräummaschine, die der Aufschrift zufolge Eigentum des National Park Service beim U.S. Department of the Interior war, saß Tadeusz Zukrowski, auf dem Kopf eine Pelzmütze wie ein sibirischer Wachsoldat, über dem obligatorischen Overall ein daunengefüttertes Holzfällerhemd. Er winkte mir zu, rief, er sei befördert worden, der Mann, der die Wegeordnung im Ostteil des Parks unter sich habe, heiße von heute an Tadeusz Adam Wojtek Zukrowski; er bekomme mit ziemlicher Sicherheit auch ein eigenes Büro, auf dessen Tür sein Name stehe, sogar sein voller Name, wenn er es wünsche, das überlege er sich aber noch. Er brüllte von oben auf mich herunter; hielt es nicht für nötig, von seinem mythischen Gefährt herabzusteigen, dessen Räder mir bis zum Hals reichten. Er kurvte jauchzend einen Platz vor dem Haus frei und fuhr wieder davon. Seine Hand ragte aus dem Plexiglaskopf dieses Ungetüms, bis es hinter dem Kegelfelsen verschwand.
    Der Winter brachte keinen weiteren Schnee mehr. Und keinen weiteren Besuch von Tadeusz Adam Wojtek Zukrowski.
    Daß sich Musicians gut, eigentlich sensationell verkaufte, erfuhr ich aus einem Brief von Dr. Kupelian, und es wurde durch die Frühjahrsabrechnung und meinen Kontostand eindrucksvoll dokumentiert. Für Marti Lipman war ich eine Nummer, im Verkauf durchaus im oberen Mittelfeld angesiedelt, um nicht zu sagen: in der unteren Spitze; über mir – allerdings in beträchtlichem Abstand – lagen in dieser Saison nur noch zwei Sachbücher, eines über Richard Nixon, das andere zu einem Gesundheitsthema.
    Im April besuchte mich Dr. Kupelian. Ich holte ihn am Flugplatz in Bismarck ab. Ich hatte auf seine ausdrückliche Bitte hin im teuersten Hotel von Dickinson ein Zimmer reservieren lassen. North Dakota lag für ihn jenseits der Zivilisation. Vor Suka fürchtete er sich – mit Recht; ich selbst fühlte mich ebenfalls nicht wohl auf der Fahrt von Bismarck nach Dickinson, als sie im Fond des Wagens, sozusagen in Dr. Kupelians Nacken, stand und, wie ich im Rückspiegel sah, unentwegt auf denselben starrte. Sie war eifersüchtig. Ich hatte sie schon einmal in diesem Zustand erlebt. Ich hatte im Institut mit einer Studentin gesprochen, und prompt war sie außer sich geraten, hatte die ganze Belegschaft zusammengebellt; ich mußte ihr die Leine anlegen und sie knapp halten, weil sie sonst der jungen Frau ins Gesicht gesprungen wäre. Zwischen der Frau und mir war ein Interesse gewesen, das sich für Suka aber anders darstellte als zum Beispiel das Interesse zwischen Toni und mir oder Lenny und mir. So interpretierte ich ihren Anfall. Auch wenn zwischen

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