Abendland
oft und zu gern die Zähne; auch gegen mich, das bereitete mir am Beginn unserer Freundschaft Sorgen; bald aber erkannte ich, daß dies nicht Beißlust, sondern lediglich eine Marotte war. So gern sie auf unseren Wanderungen herumtollte, jeder Fährte begeistert nachschnüffelte und hinter Tieren aller Art herjagte (nicht hinter Kojoten, vor denen hatte sie einen heiligen Respekt; nicht Angst, eher so etwas wie Ehrfurcht vor der Verwandtschaft), am Spiel, also der Imitation der Jagd, hatte sie wenig Interesse. Wenn ich den Ball warf, den ich nur zu diesem Zweck besorgt hatte, trottete sie ihm zwar nach, klaubte ihn auch mit den Zähnen auf, stand aber ziemlich ratlos in der Welt und blickte zu mir herüber und ließ sich durch mein Zurufen nicht überreden, ihn mir zu bringen, damit ich das Spiel fortsetze; schließlich spuckte sie ihn aus. Öfter als dreimal hintereinander ließ sie sich zu diesem Zeitvertreib nicht bewegen; demonstrativ hockte sie sich hin und sah zu, wie der Ball an ihr vorüberrollte, und nicht ein Muskel in ihrem Leib zuckte. Es war mir nicht möglich, ihr irgend etwas beizubringen. Sie setzte sich nicht, wenn ich »Sitz!« sagte, sie legte sich nicht, wenn ich »Platz!« sagte, sie blieb nicht an meiner Seite, wenn ich es – sie aber nicht – für notwendig hielt. Das mochte ich an ihr, und zuletzt erteilte ich diese Befehle nur noch, um mich daran zu erfreuen, wie wenig sie sich darum scherte. Der Drang nach Selbstauflösung in Kameradschaft war ihrem Wesen völlig fremd. Nicht aber der Drang, mir ihre Empfindungen zu zeigen. Oft war mir nicht klar, was diese Empfindungen ausgelöst hatte. Ich gewöhnte mir schließlich doch an, in ihrer Gegenwart vor mich hin zu reden – nicht mit ihr sprach ich, das nicht; was ich direkt an sie richtete, blieb einsilbig, höchstens zweisilbig und ging weiterhin nur wenig über die Nennung ihres Namens hinaus; aber ich gewöhnte mir an, wenn ich an der Schreibmaschine saß, manche Formulierung laut vor mich hin zu rezitieren oder nachzuplappern, welche Handgriffe ich gerade vollführte, oder schleifenartig zu wiederholen, was ich als nächstes vorhatte. Ich weiß nicht, ob ich zu dieser Art von Selbstgesprächen auch ohne Hund irgendwann Zuflucht genommen hätte – ob das vielleicht jeder tut, der sechs Tage in der Woche keinen Menschen sieht, außer am Morgen für drei Minuten sein eigenes Spiegelbild, und keinen Menschen hört, nicht einmal aus einem Transistorradio. Suka hielt sich die meiste Zeit in meiner unmittelbaren Nähe auf. Gern lagerte sie mit ihrem Bauch auf einem meiner Füße, was auch ich sehr gern mochte. Die Wärme, die von ihrem Körper auf mich überging, beruhigte mich mehr, als es jedes Medikament vermocht hätte. Aber sie nahm keine Notiz von dem, was ich vor mich hin redete, jedenfalls ließ nichts aus ihrem Verhalten darauf schließen, es wäre anders. Es kam vor, daß sie plötzlich die Ohren aufstellte und in meine Richtung schaute, als hätte ich nach ihr gerufen, was ich aber nicht getan hatte; oder sie sprang auf, wedelte so heftig mit dem Schwanz, daß ihr Hinterleib wackelte; oder sie schnellte gar, wie vom Boden weggesprengt, auf meinen Schoß und führte sich auf, als wolle sie sich in meine Brust hineinwühlen, wobei aus der ihren ein warmes, wehmütiges, mehr katzen- als hundehaftes Knurren aufstieg, gegen das sie nur anzukommen meinte, indem sie sich davon frei bellte; und dieses Bellen hatte etwas eindeutig Empörtes an sich, etwas Ungeduldiges, Zorniges, als wäre sie selbst von diesem Liebesaufwallen überrascht und mahne sich, wieder die Contenance zu gewinnen. Irgend etwas in ihr war wohl der Auffassung, allzuviel von diesem Gefühl sei ungesund; sie sprang von meinem Schoß, verkroch sich ans andere Ende der Veranda oder zog eine Runde um das Haus. Ich finde kein anderes Wort: Sie war verlegen. Eine Vermenschlichung von tierischen Verhaltensweisen ist Illustriertenkitsch, das weiß ich auch, aber wenn so etwas mit einem geschieht, kann man, wenigstens im ersten Moment, nicht anders, als die Palette der eigenen Empfindungen auf die Kreatur zu übertragen und Vergleiche anzustellen; abgesehen davon, daß unsere Sprache ausschließlich menschlichen Bezug kennt, wir also korrekterweise über außermenschliche Natur nur schweigen dürften.
Der Analogieschluß von mir auf sie stellte sich oft genug als Irrtum heraus. Gähnen zum Beispiel; eine Beobachtung, die mich beschäftigte – ich will es erklären: Wir brachen
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