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Abendland

Abendland

Titel: Abendland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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vorbei am hellgetünchten Tor der Aufklärung, hin zu den roten Höhleneingängen der Magie.
7
    Woher hatte Tadeusz Zukrowski das Holz? Und warum wollte er es mir schenken? Es war vorzügliches Brennholz, bis in den Kern hinein ausgetrocknet. Eine Rarität in den umliegenden Countys, wo es so gut wie keine Wälder gibt. Ich traute ihm zu, daß er es irgendwo geklaut hatte. Was für ein Aufwand! Und wozu das Ganze? Damit ich ihn bewundere? Um mich als seinen Freund zu gewinnen? Lenny hatte mich gewarnt, Parkaufseher kontrollierten die Gegend; daß ich beim Fischen aufpassen soll, meinte er. Und wenn nun einer von denen kommt und den großen Haufen Holz vor meinem Haus sieht? Ich wußte nicht, wo ich es noch stapeln sollte. Das Haus war mit Holzscheiten eingepackt. Und ich war fix und fertig. Jeden Muskel spürte ich am Körper. Ich haßte die Hackerei! Welche Strafe stand in dieser Gegend auf Holzdiebstahl? – Ich dachte viel zuviel über Tadeusz Zukrowski nach, und das verdarb meine Schreibarbeit. Kaum ein Absatz, der nicht von Ressentiments beherrscht wurde. Was andererseits wiederum gut in einen Text über meinen Vater paßte; er war schließlich ein Virtuose des Vorurteils gewesen, ein Meister der Paranoia, ein Märtyrer seiner eigenen Einbildungskraft.
    Nach einer Woche war ich immer noch nicht mit dem Holz fertig. Zum Glück hielten die schönen Tage an. Es war kalt und die meiste Zeit windstill. Ich setzte die Fenster über der Balustrade ein; die Sonne hatte noch genügend Kraft, um die Veranda zu wärmen.
    Als ich mit Suka von einem Spaziergang zurückkam – einem kurzen Spaziergang, ich war einfach zu k.o., um nach dem Sägen und Hacken auch noch drei Stunden oder länger unterwegs zu sein –, sah ich wieder den blauen Pickup beim Haus stehen. Ich stieg auf den Felskegel, der vom Weg aus die Sicht auf das Haus versperrte, und beobachtete Tadeusz Zukrowski, wie er mit der Behendigkeit und der Geschwindigkeit eines Rumpelstilzchens die zersägten Baumstämme in Scheite spaltete. Aus dem Haufen neben dem Hackstock schloß ich, daß er unmittelbar, nachdem ich und Suka das Haus verlassen hatten, die Arbeit aufgenommen haben mußte; und daraus wiederum schloß ich, daß er uns beobachtet hatte, daß er sich versteckt und gewartet hatte, bis wir das Haus verließen, um möglichst viel Zeit für die Arbeit zu haben. Was wollte dieser Mensch von mir? Ich war mir unsicher wegen Suka, deshalb blieb ich dem Haus fern – wie sie reagierte, wenn sie ihren ehemaligen Herrn vor sich sähe; ob sie wie Krambambuli, hin- und hergerissen zwischen zwei einander ausschließenden Loyalitäten, jede Fassung und jede Zufriedenheit verlöre und zuletzt unter Gewissensqualen womöglich zu Zukrowski überliefe. Aber sie gab mir nicht den geringsten Anlaß zu zweifeln, wem sie sich zugehörig fühlte. Sie bezog klar Position, drückte sich gegen meinen Schenkel; aber nicht, um von mir Sicherheit und Schutz zu fordern, sondern um mir diese zu geben. Und sie fletschte die Zähne – nicht aus einer Marotte heraus diesmal, sondern weil sie meine Erregung spürte und weil auch sie empört war, daß sich jemand bei unserem Haus zu schaffen machte; und vielleicht ja auch, weil sie in dem Störenfried ihren ehemaligen Herrn erkannte. Falls letzteres, war bewiesen, daß sie ihn haßte; und wenn sie ihn haßte, so hatte sie wohl einen Grund dafür; und wenn Suka einen Grund hatte, Tadeusz Zukrowski zu hassen, dann hatte ich für mein Teil noch einen dazu. – Ich drehte um, und wir unternahmen nun doch noch eine längere Wanderung.
    Als wir endlich nach Hause kamen, war alles Holz verarbeitet und sauber in zwei Stößen aufgeschichtet und mit einer Plane abgedeckt. Motorsäge, Treibstoffkanister, Äxte, Keile, Helm, Brille und Handschuhe hatte mein Wohltäter wieder mitgenommen. Aber diesmal fuhr ich nicht zu ihm hinaus, um mich bei ihm zu bedanken. Statt dessen besuchte ich Lenny, fragte ihn nach Tadeusz Zukrowski. Er kenne ihn flüchtig, sagte er, habe aber keine Meinung vom ihm. Ich solle, wenn ich nicht noch einmal sein Haus betreten wolle, was er verstehen könne, im Touristenzentrum beim Eingang zum Nationalpark nach ihm fragen; dort treibe er sich herum, er sei so eine Art Unterunterhausmeister. Lenny schlug vor, ich solle Zukrowski für alles zusammen wenigstens hundert Dollar geben.
    »Wenn du ihm für das Holz und den Hund gar nichts gibst, das wäre sehr unüblich«, drückte er sich aus.
    Ich traf Zukrowski beim Touristenbüro

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