Abenteuer des Werner Holt
Mund verziehen. Hinten murmelte jemand: »Der Neue soll sich wundern!«
Engel meldete dem Wachtmeister. Gottesknecht, vor der Front, musterte schweigend die angetretenen Jungen. Dann stürzte aus der Chefunterkunft, bei der Schreibstubenbaracke, mit tollem Gebell ein brauner Setter, raste zu der angetretenen Batterie, umkreiste sie kläffend und lief zur Schreibstube zurück, aus der in diesem Augenblick der Batteriechef, Hauptmann Kutschera, trat.
»Batterie … stillstann!« schrie Gottesknecht. Er kann also auch schreien, dachte Holt … »Zur Meldung an den Herrn Hauptmann Augen … rechts!« Gruß und Meldung: »Batterie mit zwei Unteroffizieren, zehn Mann und achtundachtzig Luftwaffenhelfern angetreten.«
Der Hauptmann legte mit nachlässiger Bewegung die Hand an den Mützenschirm, trat näher und rief mit einer ungeheueren Stimme: »Morn, Batterie!«, und: »Morn, Herr Hauptmann!« scholl es im Chor zurück. »Lassen Sie rühren«, sagte Kutschera.Auch wenn er nur leise sprach, dröhnte seine Stimme weit über den Platz, Gottesknecht kommandierte: »Batterie … rührt euch!« Dann blieb er links hinter dem Chef stehen. Kutschera schaute eine Weile gelassen die Front auf und ab.
Holt betrachtete den Gewaltigen: Das war ein riesiger, an die zwei Meter großer Mann, fünfzigjährig, eine furchteinflößende Gestalt. Der graue, weite Fahrermantel reichte bis zu den Knöcheln und wies keine Rangabzeichen auf. Nur an der Schirmmütze trug er die silberne Paspel der Offiziere. Die Mütze saß schief auf dem langen Schädel, der aus dem Fahrermantel bleich emporwuchs, und überschattete das Pferdegesicht, das schmal und derb konturiert war; alles in diesem Gesicht zog sich in die Länge, die fleischige Nase, der breitlippige Mund. Die Augen, tief im Schatten des Mützenschirms, blickten kalt und drohend. Der Setter lag ihm zu Füßen, den Kopf auf die Vorderpfoten gelegt.
»Hört mal her«, sagte der Hauptmann. Er öffnete kaum den Mund, aber seine Stimme war dröhnend und durchdringend. Er hatte die Hände in den Manteltaschen vergraben. »Jetzt wird eingeteilt. Wenn das länger als eine halbe Stunde dauert, passiert was. Punkt acht …« – er nahm die Linke aus der Manteltasche und blickte auf die Armbanduhr – »melde ich die Batterie einsatzbereit. Wird höchste Zeit; hier ist bißchen was los. Das kotzt mich an, wenn die Schweine da oben rumkurven, und ich kann ihnen keins draufgeben.« Er erklärte den Kampfauftrag: »Schutz der umliegenden Industrieanlagen und Wohnviertel.« Dann verstummte er unvermittelt; er wollte sich abwenden, und der Hund sprang schon auf die Füße. Aber Kutschera hielt mitten in der Bewegung inne und dröhnte: »Ein Wort an die Neuen! Wenn sich einer beim ersten Gefecht die Hosen vollscheißt, das ist mir egal. Aber wehe, einer macht schlapp! Wenn die Brüder nicht spurn, dann sollen ihnen die Oberhelfer das beibiegen. Selbsterziehung ist noch immer das solideste.«
Ein Freibrief, dachte Holt und schielte verstohlen zur Seite; er sah die Oberhelfer grinsen und Blicke wechseln … Die Stimme des Hauptmanns riß ihn aus seinen Gedanken: »Noch was! Heut nachmittag Batterieexerzieren mit Zieldarstellung. Da schau ichmir die Neuen an. Vielleicht kommen ein paar Amis vorbei, das ist immer noch das solideste … Ach was!« sagte er plötzlich und wandte sich ab. Der Hund sprang bellend hoch. »Sei still, Mensch!« Der Hauptmann verschwand in Richtung Schreibstube.
Gottesknecht teilte ein. Schmiedling schrie: »Wolzow! Holt! Gomulka! Die anderen, los, kommen S’ her!« Sie blieben beisammen und wurden Stammbedienung am Geschütz Anton, dazu noch Weber, Kirsch, Branzner und Kattner, die nachts als Richtkanoniere zum Geschütz Berta gehörten. »Dös haut hin!« sagte Schmiedling erfreut, als er seine Bedienung wieder beisammen hatte. Gottesknecht teilte ihnen noch einen Oberhelfer als stellvertretenden Geschützführer zu. Er hieß Günter Ziesche und war ein gedrungener, blonder Junge von siebzehn Jahren, etwas dicklich, mit weibischen Zügen, unreiner Gesichtshaut und einer großen Warze an der linken Schläfe.
Auch in der Unterkunft, in die sie bedienungsweise eingewiesen wurden, blieben sie beieinander, und Ziesche zog als Stubenältester zu ihnen. Sie richteten sich eine der zwei kleinen Stuben in Baracke Dora ein, sechs Mann, Ziesche, Wolzow, Holt und Gomulka, Vetter und Rutscher. In der gegenüberliegenden Stube nahm die Bedienung von Geschütz Cäsar Quartier; und die
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