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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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Macht. »Seid bloß still!«
    Sie erhielten Uniformen, eine Ausgehmontur mit einreihigem, auf Taille gearbeitetem Mantel, und auch ein Blechbüchschen mit Gehörschützern. Obergefreiter Schnitzler, der Kammerunteroffizier, war ein dünner, behender Mann mit raschem Mundwerk. »Meckern Sie nicht! Wenn was nicht paßt, tauschen Sie’s um!« Mit Kleidern bepackt, verließen sie die Kammer und zogen sich in einer leerstehenden Baracke um.
    Die Wohnbaracke A, Anton genannt, stand etwa fünfzig Meter von der Kammer entfernt. Holt war bald fertig. Er ging ein paar Schritte den Fahrweg entlang, blieb stehen und sah sich um.
    Es tagte. Bald mußte die Sonne aufgehen. Der Morgenwind trieb den Nebelvorhang zur Seite, der Blick auf die Stellung wurde frei. Holt prägte sich die Lage der Batterie fest ein. Ein kahler Höhenrücken, der Boden schmutziggrau, die Äcker mager und steinig. Im Osten stand Wald, dürre, kahle Stämme, die trostlos an die üppigen, unwegsamen Wälder in den Bergen erinnerten. Vier weit auseinanderliegende Wohnbaracken bildeten ein großes Rechteck, dessen Seiten von West nach Ost etwa hundertfünfzig, von Süd nach Nord nicht mehr als fünfundsiebzig Meter messenmochten. Holt sah im Morgenlicht links von sich Anton, rechts Berta, und dort stand noch ein gemauertes Häuschen, an dem das Wort »Kantine« zu lesen war. Zwischen Anton und Berta lag der Barackenhaufen von Kammer, Schreibstube, Küche und Chefunterkunft. Nach links, zu Anton, führte ein Lattenrost, nach rechts, zu Berta und der Kantine, ein breiter Fahrweg, der hier nach Süden bog, talwärts ein Eisenbahngleis schnitt und dann auf eine Straße mündete. Jenseits der Straße zog sich ein Kanal von Osten nach Westen; dort hing noch weißer, undurchsichtiger Nebel. Im Norden von Berta, am Westhang der Anhöhe, sah Holt Baracke Cäsar, und im Norden von Anton konnte er Baracke Dora erkennen, davor einen großen, einsamen Baum. Inmitten dieses Rechtecks lag die Feuerstellung, die hohe Erdaufschüttung der B 2, umgeben von den sechs Geschützständen. Hinter der B 2 war das Funkmeßgerät eingegraben. Im Westen der Feuerstellung wölbten sich in einer Reihe von Nord nach Süd die vier großen Munitionsbunker der Zweitausstattung aus dem Acker.
    Ringsum, im Tal, sah Holt sich von dem Panorama eines gewaltigen Industriegebietes umgeben. Überall Schlote, Riesenschornsteine, die grauen Qualm ausspien, wieder und wieder Schlote, Hochöfen, die rote Flammen brennender Lichtgase in den Himmel warfen, Lufterhitzer, Kokereien, riesige Hallen der Stahlwerke am Horizont, dazwischen Fördertürme mit kreisenden Seilscheiben, Riesenretorten der Raffinerien, Abraum- und Kohlenhalden wie die heimischen Berge, und dies alles von Dunst und Rauch überlagert, von Qualmwolken, die träge mit dem Winde davonwehten, durch ein Gewirr von Bahnanlagen verbunden und ringsum eingeschlossen von einem endlosen Häusermeer: Essen im Süden und Westen, Gelsenkirchen im Norden und Nordosten, Wattenscheid im Osten. Die Städte liefen ineinander, und Häuser, Industriewerke, Schlote, Hallen und Geleise nahmen kein Ende, soweit der Blick reichte.
    Das ist nun auch mir anvertraut, dachte Holt. Ein Gefühl des Stolzes bewegte ihn. Aber in seinem Rücken schrie eine derbe Stimme: »Stehn Sie hier nicht rum!« Ein Unteroffizier trat vor ihn hin, ein dreißigjähriger Mann, das Käppi tief in die Stirngedrückt. »Name!« Und dann: »Worauf warten Sie, Holt? Haun Sie ab, Sie Spund, in zehn Minuten ist Morgenappell!«
     
    Die Batterie trat auf dem breiten Weg an, der am Rande der Feuerstellung von der Schreibstube zur Kantine führte. Am rechten Flügel stand das Batteriekommando, ein Unteroffizier und zehn Obergefreite. Die achtundzwanzig Neuen, wie sie von den anderen genannt wurden, standen müde und übernächtig im Glied. Holt sah sich die Oberhelfer an, die schon länger zur Batterie gehörten, und er dachte respektvoll: Die haben Hamburg mitgemacht!
    Das Antreten ging nicht ganz reibungslos vor sich. Wolzow geriet mit einem der Oberhelfer aneinander, der ihn einfach zur Seite schieben wollte. »Benimm dich!« sagte Wolzow schließlich. »Du hältst deine Fresse, Neuer!« – »Mensch!« rief Wolzow. »Spiel dich nicht auf, sonst kracht’s!« – »Ruhe im Glied!« brüllte der Unteroffizier, Engel mit Namen. »Wollt ihr wohl die Schnauze halten?« Von hinten raunte es: »Laß ihn, Günsche, machen wir andermal!«
    Das gibt Ärger, dachte Holt. Er sah Wolzow verächtlich den

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