Abenteuer des Werner Holt
… Nach Norden weg, marsch, marsch!«
Eine Sekunde verständnislosen Zögerns, dann liefen Holt und Wolzow den Hang hinab. »Achtung!« Sie standen wie die Bäume, Front zu Gottesknecht, der sich breitbeinig auf dem Lattenrost aufgepflanzt hatte. »Hinlegen!« Sie warfen sich auf den Acker. »So, jetzt wird schön flott zu mir hergerobbt!« Sie krochen den steilen Hang empor. »Auf!« befahl Gottesknecht.
Er sah ihnen in die Augen, er war nicht böse. »Der Wolzow hat noch immer Wut! Schade!« Und beinahe besorgt: »Ich hab doch recht, Wolzow, nicht wahr? Sie sind wütend!«
»Jawohl, Herr Wachtmeister!«
»Sehen Sie! Ich seh das an den Augen, das hab ich von einem Schäfer, der erkannte auch alles an der Pupille, Schwangerschaften, Bauchgrimmen, Hodenbrüche … Wir machen also noch ’n bißchen weiter, bis Wolzow keine Wut mehr hat, eher kann ich mich mit ihm ja nicht ruhig unterhalten. Holt, Sie leisten ihm Gesellschaft, damit er sich nicht so einsam fühlt. Sie haben doch Lust, mitzumachen?« fragte er, und wieder klang seine Stimme ehrlich besorgt. »Jawohl, Herr Wachtmeister!« – »Fabelhaft! Sehen Sie, Wolzow, das ist Freundschaft! Sie laufen jetzt den Hang runter, bis zur Chaussee, hundertzwanzig Meter, alles genau vermessen! Dann kommen Sie den Hang wieder hoch, Häschen-hüpf, kennen Sie das?« – »Jawohl, Herr Wachtmeister!« – »Enorm! Aber ordentlich tief runter, die Arme im Vorhalt, schön in die Kniebeuge! … Gesundheitlich geht’s Ihnen doch gut?« – »Jawohl, Herr Wachtmeister!« – »Na also. Wolzow, Sie werden das den ganzen Nachmittag machen müssen, Sie werden ja immer wütender! Traben Sie erst mal los!«
Sie liefen im Laufschritt den Hang hinab. »Gilbert, der will was! Reg dich nicht auf!« – »Er soll mir den Buckel runterrutschen!« gab Wolzow zurück.
Sie hüpften den Hang empor. Holts Oberschenkel begannen zu schmerzen, die Muskeln verkrampften sich, die Knie zitterten haltlos. Wolzow war Holt voraus. Der Hang stieg steil an; Holt wurde der Atem knapp. Das kommt vom Rauchen, ging es ihm durch den Sinn. Er kämpfte gegen den Wunsch an, sich hinzuwerfen und auszuruhen. Mit empfindungslosen Beinen undschmerzendem Rücken, atemlos und erschöpft, langte er beim Lattenrost an.
»Na, wie war’s?« fragte Gottesknecht. Er rauchte eine Zigarette, die Mütze ins Genick geschoben, offenbar bester Laune. »Nicht wahr, Wolzow, das ist eine Viecherei?« – »Es strengt ganz schön an«, sagte Holt, »man ist zuwenig trainiert!« – »So? Da müssen wir das öfter machen, an mir soll’s nicht liegen!« Er wandte sich an Wolzow. »Na, haben Sie noch Wut?«
Wolzow antwortete nicht. Gottesknecht schmunzelte. »Herr Wachtmeister«, sagte Wolzow. »Ich melde, daß ich vom Häschenhüpf die Schnauze voll hab!«
Gottesknecht rief: »Die Schnauze voll! Holt, haben Sie’s gehört? Wolzow, das ist ein Wort, dafür gibt’s Sehrgut, da haben Sie mir eine Riesenfreude gemacht!« Er zog sein Notizbuch. »Herr Wachtmeister!« sagte Wolzow. »Das Sehrgut nützt mir nichts, ich hab noch Ausgehverbot!« – »Gehabt!« sagte Gottesknecht. »Ab heute dürfen Sie ausgehn, weil Sie mir diese Riesenfreude gemacht haben! Daß Sie heute das erstemal beim Militär die Schnauze voll hatten, das muß außerdem gefeiert werden, da lad ich Sie am Sonnabend in der Kantine zum Bier ein, Sie auch, Holt, weil Sie diesem Kastor ein so getreuer Pollux sind. Wissen Sie was, Wolzow? Ich mach meinen Frieden mit Ihnen, jetzt haben Sie eine ganz große Nummer bei mir! Wissen Sie, warum ich so einen Zahn auf Sie gehabt habe?« – »Kann mir’s schon denken«, knurrte Wolzow, ganz unmilitärisch, »wegen Onkel Hans!«
»Diese Offizierssöhnchen«, sagte Gottesknecht, »die hab ich gerne! Da war mal einer, Vater Major, sofort ging’s los, ich war noch Unteroffizier. Dauernd hat er sich bei seinem Vater beschwert, und der Alte hat sich hinter unseren Chef geklemmt, so daß ich pausenlos Genickschläge bekam. Seither hab ich ein Mißtrauen, das werden Sie verstehen. Wolzow, bei Ihnen hab ich gedacht, er wird mir das ganze OKL auf den Hals hetzen. Nein! Hat er nicht gemacht! So dumm ist er nicht, hab ich gedacht, daß er die Generalität in einem Brief aufhetzt, der durch meine Hände geht. Da bin ich vor acht Tagen extra mit dem Auto hinter der Frau von der Kantine hergefahren, der Sie den frankierten Briefmitgegeben haben. Jetzt hab ich ihn erwischt, dachte ich. Ja, Essig! ›Ist prima hier‹, stand drin. Ich
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