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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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tobte kläffend der Setter um sie herum, und gleich war auch der Hauptmann da. Die ungeheure Stimme brüllte: »Mensch, was ist denn hier los, was erlauben sich denn die Kerle!«
    Holt ließ den verdutzten Günsche los, der sich aufrappelte. Auch Wolzow stand stramm vor dem Hauptmann. Einem der Zwillingsbrüder lief aus der Nase dickes, dunkelrotes Blut über den Mund und auf die Uniform; der andere krümmte sich auf dem Acker und schnappte nach Luft. Hat ihm Gilbert eins auf den Magen gegeben, dachte Holt.
    »An den Baum binden und auspeitschen!« dröhnte Kutscheras Stimme. »Die Neuen verprügeln die Alten, wo gibt’s denn so was!« Seine Sympathie lag eindeutig bei den Hamburgern.
    Plötzlich stand Gottesknecht an seiner Seite, und Kutschera drehte ihm unwillig den Kopf zu. Wenn er uns jetzt in den Rücken fällt, dachte Holt, dann hat Gilbert recht, dann ist Gottesknecht ein Aas. Aber Gottesknecht sagte, leise, wie es seine Art war: »Verzeihung, Herr Hauptmann, ich hab’s von der B 2 angesehen. Die Neuen trifft diesmal weniger Schuld. Günsche hat den ersten Schlag geführt.«
    »So!« sagte Kutschera unzufrieden, und einen Augenblick lang sah es so aus, als wolle er den Wachtmeister zurechtweisen. Aber dann sagte er: »Da misch ich mich nicht ein … Günsche!« schrie er, und zu den Zwillingen: »Pingels, ihr Arschlöcher! Mensch, wenn ihr euch so blöd anstellt, dann laßt euch halt von den Spunden verdreschen!« Riesenhaft, von seinem Hund gefolgt, stiefelte er davon. Gottesknecht sagte: »Jetzt ist Ruhe, meine Herren, sonst mach ich mit und bestraf euch alle zusammen!«
    Günsche, als auch Gottesknecht verschwunden war, zischte: »Das kommt euch teuer zu stehn!« Wolzow sagte: »Halt die Fresse …« Auf einmal schrie er, nach vorn geneigt, mit geballten Fäusten, und Holt hatte Wolzow noch nie so in Wut gesehen: »Ihr sollt mich kennenlernen! Ich schlag euch reif für’s Krankenhaus!« – »Schluß!« sagte Holt und zog Wolzow davon.
     
    In der Stube räumten Holt und Wolzow ihre Spinde ein. »Wenn sie uns nicht in Frieden lassen, knöpf ich sie mir einzeln vor«, drohte Wolzow. Ziesche, leicht ironisch, meinte: »Nimm dir nicht zuviel vor. Unter den Hamburgern sind starke Kerle!« – »Du willst auch was?« Wolzow musterte Ziesche. Holt sagte: »Du bistvorhin einfach davongerannt! Sind wir zusammen an einem Geschütz? Leben wir zusammen auf einer Bude?« – »Ich bin Oberhelfer, ich verderb mir’s nicht mit meinen Kameraden.« – »Oberhelfer wird nach einem halben Jahr jeder!« entgegnete Holt.
    Wolzow knallte seinen Spind zu. »Ich hab’s beim Wachtmeister verschissen, wieso weiß ich nicht. Ich hab’s womöglich auch beim Chef verschissen. Jetzt ist mir alles egal! Ich nehm’s mit der ganzen Batterie auf. Laß sie draußen antreten, deine Herren Oberhelfer, meinetwegen können sie alle auf einmal kommen … Meinst du«, schrie er Ziesche an, »ich mach mir was draus, wenn zur Abwechslung ich mal die Fresse vollkriege? Da müssen sie mich totschlagen, oder aber es heißt danach: Auge um Auge, Zahn um Zahn, solang ich noch einen Finger rühren kann.« – »Soll ich’s ausrichten?« fragte Ziesche. – »Wenn du dich nicht schnell auf unsere Seite stellst …«, drohte Holt. Vetter rief im Hintergrund: »Du Pickelhering, Mensch, dich reiben wir zu Mus!«
    »Tun Sie das nicht!« sagte Gottesknecht, der plötzlich in der offenen Tür stand. »Herrn Oberhelfers Mütterchen weint sich sonst die Augen aus.« Todsicher hat er schon lange auf dem Flur gestanden und gehorcht, dachte Holt … Wozu sind wir in einer so entlegenen Baracke? Man muß ein Warnsystem einrichten!
    Gottesknecht blickte sich in der Stube um. Endlich rief Ziesche Achtung und meldete. Gottesknecht schnüffelte mit erhobener Nase. »Die Herren haben geraucht! Pfui, das ist verboten!« Dann trat er vor einen offenen Spind, es war Ziesches Spind, faßte mit spitzen Fingern ein Buch, zog es heraus und schaute nach dem Titel. »Flex …«, sagte er, »›Der Wanderer zwischen beiden Welten‹, aha! Wer liest denn da so kerndeutsche Bücher?«
    »Ich, Herr Wachtmeister!«
    »Soso! Ich hab übrigens auch was zu lesen für Sie, von meiner Frau, die wäscht sich immer mit Seesand-Mandelkleie, schaun Sie sich mal den Prospekt an, vielleicht geht davon Ihre Akne weg!« Die Jungen lachten, Ziesche errötete unaufhaltsam. »Wolzow, Holt … mitkommen!« sagte Gottesknecht. Er ging vor ihnen den Lattenrost entlang. »So. Da wolln wir mal

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